Besserer Schutz für Geschädigte und Konsumenten
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Privatrecht

Besserer Schutz für Geschädigte und Konsumenten

Das gesamte Verjährungsrecht soll mittels einer (Teil-)Revision des Obligationenrechts vereinheitlicht werden.[1] Zudem sollen mit einer Revision des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) stossende Geschäftspraktiken verhindert werden.[2] Die neuen Bestimmungen werden für den Rechtsverkehr weitreichende Folgen haben. Für die Vertragsgestaltung ergeben sich neue Möglichkeiten.

Revision Verjährungsrecht

Zentrale Anliegen der Revision des Verjährungsrechts:

  • Vereinheitlichung: Die allgemeinen Bestimmungen des Verjährungsrechts sollen für sämtliche privatrechtlichen Forderungen (aus Vertrag, unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung) gelten; vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen. Für öffentlichrechtliche Forderungen sind die allgemeinen Bestimmungen nur dann unmittelbar anwendbar, wenn die entsprechenden Gesetze darauf verweisen.
  • Verlängerung der Verjährungsfristen, siehe anschliessende Ausführungen.
  • Beseitigung von unklaren Rechtslagen durch die Definition des Beginns der Fristen, des Umfangs der Parteiautonomie bei der Vertragsgestaltung, der Verjährungsabrede- und -verzichtsmöglichkeiten etc. im Gesetz.

Die Revision des Verjährungsrechts folgt den Modellregelwerken internationaler Institutionen (EU, UNO) sowie den modernen Verjährungssystemen anderer europäischer Staaten wie Deutschland, Frankreich oder Dänemark. Die revidierten allgemeinen Verjährungsregeln sind insbesondere auch konform zum Wiener Kaufrecht.[3]

Verjährungsfristen

Sämtliche Forderungen sollen neu grundsätzlich einer relativen (Verjährungs-)Frist von drei Jahren und einer absoluten Frist von zehn Jahren unterstehen (Konzept der doppelten Fristen).

Für Forderungen aus Personenschäden wird eine lange absolute Frist von 30 Jahren vorgeschlagen. Damit soll das Risiko verringert werden, dass ein Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt, bevor ein Schaden entstanden oder erkannt worden ist (zum Beispiel wegen langer Latenzzeiten bei Schäden durch Asbest, Medikamente, radioaktive Stoffe, Kleinstpartikel etc.).

Die bisherigen ausserordentlichen Verjährungsfristen für Forderungen aus strafbaren Handlungen sollen abgeschafft werden.

Die relative Frist (drei Jahre) beginnt erst zu laufen, wenn der Gläubiger Kenntnis von der Forderung und der Person des Schuldners hat. Die absolute Frist (10/30 Jahre) beginnt mit Fälligkeit der Forderung und für Schadenersatz zum Zeitpunkt des den Schaden verursachenden Verhaltens respektive sobald die schädigende Handlung aufhört.

Nebst den allgemeinen Verjährungsbestimmungen gelten für einzelne Vertragsverhältnisse spezifische Bestimmungen. So werden im Kauf- und Werkvertrag absolute Rügefristen (zwei Jahre seit Ablieferung/Erwerb; bei unbeweglichen Bauwerken fünf Jahre) eingeführt, innert welchen der Käufer oder der Besteller Mängel anzuzeigen hat.

Abänderung Verjährungsfristen und Verzicht auf Verjährungseinrede

Als Ausgleich zu den – in der Regel verlängerten – einheitlichen allgemeinen Verjährungsfristen soll eine vertragliche Abänderung der Fristen unter gewissen Bedingungen zulässig sein. Vorgeschrieben sind Minimal-/Maximalfristen: relative Frist minimal ein Jahr, maximal zehn Jahre; absolute Frist minimal drei Jahre, maximal 30 Jahre. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Verkürzung der Verjährungsfristen bei Personenschäden vorsehen, sind nichtig.

Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung [4] ist erst nach Eintritt der Verjährung möglich und auf zehn Jahre ab Verjährungseintritt beschränkt. Vor Eintritt der Verjährung gilt ein Verzicht als Verlängerung der Verjährungsfrist.

Unterbrechung und Stillstand der Verjährung

Die Verjährung wird unterbrochen durch Anerkennung der Forderung, Schuldbetreibung, Klage, Rechtsmittel, Einrede oder Eingabe im Konkurs. Die Unterbrechung hat den Beginn neuer Verjährungsfristen zur Folge. Mahnschreiben oder Vergleichsverhandlungen hingegen unterbrechen die Verjährungsfristen nicht.

Die Verjährung beginnt nicht oder steht still unter anderem während der Dauer der elterlichen Sorge, der Ehe oder einer Nutzniessung für entsprechende Forderungen,[5] beziehungsweise wenn eine Forderung aus objektiven Gründen nicht geltend gemacht werden kann.

Übergangsbestimmungen Verjährungsrecht

Mit Inkrafttreten der Revision sollen Forderungen, die noch nicht verjährt sind, grundsätzlich nach neuem Recht verjähren. Bei Verjährungsfristen, die nach geltendem Recht länger sind als nach zukünftigem, beginnt die Frist mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts neu zu laufen.

Eine Variante sieht vor, dass Forderungen auch dann nach dem neuen Recht verjähren, wenn sie zwar nach bisherigem Recht, nicht aber nach neuem Recht, absolut verjährt sind (neues Recht kommt jedoch nicht zur Anwendung, wenn die relative Verjährungsfrist nach bisherigem Recht bereits abgelaufen ist). Mit dieser Rückwirkung des neuen Rechts sollen Opfer von Spätschäden besser geschützt werden.

Das dadurch verursachte Wiederaufleben der Durchsetzbarkeit der Forderung kann den Schuldner vor erhebliche Beweisschwierigkeiten stellen, da die Beweismittel möglicherweise inzwischen nicht mehr vorhanden sind.

Revision UWG betreffend unlautere Geschäftspraktiken und allgemeine Geschäftsbedingungen

Die Revision soll den Schutz gegen gewisse unlautere Geschäftspraktiken verbessern, indem die im Gesetz namentlich erwähnten verpönten Tatbestände erweitert werden um: Adressbuchschwindel, Schneeballsystem, Unterlassung von Angaben im elektronischen Geschäftsverkehr, bedingte Gewinnversprechen und Missachtung des Vermerks «keine Werbeanrufe» im Telefonbuch.

Mit der Revision wird auch der Umgang mit allgemeinen Geschäftsbedingungen neu geregelt, und zwar sind in Zukunft allgemeine Geschäftsbedingungen immer dann unlauter, wenn sie zum Nachteil der Konsumenten ein den Grundsatz von Treu und Glauben verletzendes, erhebliches oder ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den Pflichten vorsehen (bisher nur bei Irreführung).

Handlungsbedarf

In Bezug auf die Revision des Verjährungsrechts und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb empfehlen sich zu gegebener Zeit insbesondere folgende Vorkehrungen:

  • Abklären der Auswirkungen auf bestehende Rechtsverhältnisse (Verträge, allgemeine Geschäftsbedingungen etc.); Eruieren von Anpassungsbedarf und -möglichkeiten.
  • Mitberücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben bei der Gestaltung von neuen Rechtsverhältnissen.
  • Abklären, ob hinsichtlich der neuen gesetzlichen Vorgaben genügend Versicherungsschutz besteht (im Normalfall decken Versicherungen die gesetzliche Haftpflicht).
  • Vor der Aktenvernichtung prüfen, ob die Dokumente wegen der Verlängerung der Verjährungsfristen noch als Beweisurkunden aufzubewahren sind.
  • Generell: Rechtzeitige Unterbrechung der Verjährung, insbesondere im Zusammenhang mit möglichen Spät- und Langzeitschäden.

Unsere Juristen sind gerne bereit, Sie bei der Ausgestaltung von Rechtsverhältnissen zu unterstützen und betreffend der neuen gesetzlichen Bestimmungen individuell zu beraten.

Fussnoten

  1. www.bj.admin.ch > Themen > Wirtschaft > Gesetzgebung: Laufende Rechtsetzungsprojekte > Verjährungsfristen im Haftpflichtrecht – Vorentwurf und Bericht zur (Teil-)Revision OR (Obligationenrecht); Vernehmlassungsfrist: 30. 11. 2011

  2. vgl. www.seco.admin.ch > Themen > Spezialthemen > Unlauterer Wettbewerb – Referendumsvorlage Änderung UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), Inkrafttreten: voraussichtlich 2012

  3. Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (WKR; SR 0.221.211.1) 

  4. Verjährung: Forderungen verjähren mit Ablauf der Verjährungsfrist. Mit Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern, also gegenüber dem Gläubiger eine entsprechende Einrede zu erheben. Der Schuldner hat die Verjährung ausdrücklich einredeweise geltend zu machen; diese wird vom Richter nicht von Amtes wegen berücksichtigt.

  5. Zum Beispiel: Der eine Ehegatte finanziert aus seinem Eigengut die Renovation einer Liegenschaft im Eigengut des anderen Ehegatten. 20 Jahre später wird die Ehe geschieden. Infolge Stillstand der Verjährungsfrist während der Ehe ist die Forderung trotz absoluter Verjährungsfrist von 10 Jahren nicht verjährt.

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