Dashcam als Beweismittel - ein Update
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Strafrecht

Dashcam als Beweismittel - ein Update

Im Artikel vom März 2017 wurde die Verwertbarkeit von Dashcam[1]-Aufzeichnungen in Gerichtsprozessen bereits einmal behandelt. Mangels konkreter Rechtsprechung mussten aber gewisse Fragen offen gelassen werden. Unterdessen sind in diesem Zusammenhang erste Gerichtsurteile ergangen, welche nachfolgend analysiert werden.

Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 11. Mai 2017

Einem Beschuldigten wurde vorgeworfen, einerseits zu nah aufgefahren zu sein und andererseits eine Sicherheitslinie überfahren zu haben. Der Vorwurf des ungenügenden Abstands basierte einzig auf den Aussagen des Anzeigers. Für das Überfahren der Sicherheitslinie kamen zusätzlich Aufnahmen der Dashcam des Anzeigers als Beweismittel in Frage.

Das Obergericht des Kantons Zug hält das ständige Filmen des Strassengeschehens zwar für problematisch. Es kommt aber zum Schluss, dass der Anzeiger sich aufgrund des ersten Vorwurfs, des Auffahrens, berechtigt gesehen hat, zur Beweissicherung seine Dashcam in Betrieb zu nehmen bzw. laufen zu lassen und so den zweiten Vorwurf, das Überfahren der Sicherheitslinie, zu dokumentieren. Es handelt sich insofern nicht um eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung.[2]

Dieser Fall landete vor Bundesgericht, welches die Frage aber offen liess resp. offen lassen konnte, ob die Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel verwertet werden dürfen oder nicht.[3]

Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 20. Juni 2017

Ein Fahrlehrer zeichnete mit seiner Dashcam zufällig das Fahrverhalten eines Fahrzeuglenkers auf, welcher zu schnell gefahren ist und einen anderen Verkehrsteilnehmer rechts überholt hat. Das Kontrollschild konnte nur anhand dieser Aufzeichnungen ermittelt werden. Die Verurteilung stand oder fiel daher mit der Verwertbarkeit dieser Aufzeichnungen.

Der vorinstanzliche Einzelrichter gewichtete das öffentliche Interesse an der Verwertbarkeit der Aufzeichnung und an der Wahrheitsfindung höher als das private Interesse des Beschuldigten an der Unverwertbarkeit der Aufnahmen. Der Beschuldigte wurde erstinstanzlich verurteilt.

Das Kantonsgericht Schwyz qualifizierte die Aufnahmen jedoch als unverwertbar und sprach den Beschuldigten mangels anderer Beweise frei. Es hielt fest, dass die Dashcam des Fahrlehrers das Verkehrsgeschehen anlasslos und permanent aufnahm, mithin ohne ersichtliche private Interessen. Es fehlte daher an einem Rechtfertigungsgrund. Auch die Strafverfolgungsbehörden dürfen das Verkehrsgeschehen nur aufnehmen, wenn konkrete Anzeichen bestehen, dass es zu strafbaren Handlungen kommen könnte. Das Beweismittel hätte daher auch von den Strafverfolgungsbehörden nicht auf rechtmässigem Weg erlangt werden können. Da keine schwere Straftat zur Diskussion stand, waren die Aufnahmen unverwertbar.[4]

Dieses Urteil wurde in der Lehre diskutiert und stiess im Resultat auf Zustimmung. Geht man von einer zurückhaltenden Auslegung der Rechtfertigungsgründe im Datenschutzrecht aus, müsste der private Dashcam-Einsatz regelmässig als widerrechtlich qualifiziert werden. Eine Verwertung der Aufnahmen kommt daher nur in Frage, wenn berechtigter Anlass für die Inbetriebnahme resp. das Laufenlassen der Kamera besteht (z.B. wenn nach einer ersten Verkehrsregelverletzung die Vermutung nahe liegt, dass weitere folgen werden).[5]

Zusammenfassung

Unterdessen liegen zwei oberinstanzliche, kantonale Urteile vor, welche die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel einmal bejahen und einmal verneinen. Ein Entscheid des Bundesgerichts, welcher sich zu dieser Frage äussert, steht noch aus.

Die vorgenannten Urteile bestätigen immerhin, dass die privaten Dashcam-Aufnahmen nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich widerrechtlich sind, es sei denn, sie werden durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse gerechtfertigt. Solche Interessenabwägungen sind immer Wertentscheidungen und können im Einzelfall zu unterschiedlichen Resultaten führen. Erweist sich die Aufnahme als widerrechtlich, muss geprüft werden, ob die Strafverfolgungsbehörden das Beweismittel auf rechtmässigem Weg hätten erheben können, d.h. es braucht einen berechtigten Anlass, die Kamera zu starten resp. laufen zu lassen. Ist dies nicht der Fall, sind die Aufnahmen als Beweismittel nicht verwertbar, wenn es sich nicht um schwere Straftaten handelt.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 04/2018 veröffentlicht.

Fussnoten

  1. "Als "Dashcam" wird eine Videokamera bezeichnet, die meist auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs angebracht ist und während der Fahrt fortwährend aufzeichnet" (Wikipedia, "Dashcam", besucht am 13. Februar 2017).

  2. Vgl. Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Strafabteilung, vom 11. Mai 2017.

  3. Vgl. BGer 6B_758/2017 vom 26. September 2017, E. 1.4.3.

  4. Vgl. Urteil des Kantonsgerichts Schwyz STK 2017 1 vom 20. Juni 2017.

  5. Vgl. Maeder, Verwertbarkeit privater Dashcam-Aufzeichnungen im Strafprozess, in: AJP 2018 S. 155 ff., S. 166 ff.

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