Dashcam als Beweismittel
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Strafrecht

Dashcam als Beweismittel

Bei Verkehrsunfällen haben die beteiligten Verkehrsteilnehmer oft mit Beweisproblemen zu kämpfen. Das Geschehen spielt sich in der Regel innert weniger Sekunden ab wodurch die Beteiligten das Erlebte in der Regel nicht objektiv aufnehmen und widergeben können. Auch auf Aussagen ungeschulter Zeugen ist nur mit Vorsicht abzustellen.

Eine Dashcam[1] könnte hier Abhilfe schaffen. Aus rechtlicher Sicht stellt sich jedoch die Frage, ob das Videomaterial in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren als Beweismittel zugelassen wird.

Zulässigkeit einer Dashcam

Aus verkehrsrechtlicher Sicht ist die Montage und Benutzung einer Dashcam in der Schweiz grundsätzlich erlaubt, vorausgesetzt, die Sicht des Fahrzeuglenkers wird nicht beeinträchtig.[2] Der Fahrzeuglenker muss das Fahrzeug zudem stets beherrschen[3] und die Aufmerksamkeit immer der Strasse und dem Verkehr widmen.[4]

Die Bundesbehörden hegen jedoch datenschutzrechtliche Bedenken: "Das Filmen der Strasse um das Fahrzeug herum durch eine Privatperson führt unweigerlich zu einer privaten Videoüberwachung des öffentlichen Grunds. Eine solche ist nur in sehr engen Grenzen zulässig, (...). Diese Grenzen werden beim Betrieb von Dashcams in der Regel nicht eingehalten." Vom Einsatz von Dashcams auf öffentlichem Grund wird seitens der Behörde abgeraten.[5]

Die Verwendung von Dashcams ist gesetzlich nicht geregelt. Es gibt jedoch andere Entscheide zu Videoaufnahmen respektive zur Videoüberwachung. Eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz wurde als zulässig erklärt, wenn diese nicht allein oder vorwiegend bezweckt, die Mitarbeiter zu überwachen.[6] Auch Videoaufzeichnungen auf öffentlichem Grund wurden im Sozialversicherungsrecht bislang als zulässige Beweiserhebung qualifiziert.[7] Kürzlich kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aber zum Schluss, dass im schweizerischen Recht keine hinreichend präzise rechtliche Grundlage für die Foto- und Videoüberwachung von Versicherten bestehe.[8] Die Rechtslage in der Schweiz im Zusammenhang mit Dashcams ist unklar.

In Deutschland wurde die Frage unterschiedlich beantwortet.[9] In anderen europäischen Ländern wird die Verwendung von Dashcams als unproblematisch qualifiziert.[10]

Verwertbarkeit der Aufnahmen

Sollten Dashcam-Aufnahmen gegen das geltende Recht verstossen, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit der damit erhobenen Beweismittel. Dabei ist vor Augen zu halten, dass die Aufnahmen für den entsprechenden Fahrzeuglenker sowohl entlastendes als auch belastendes Material enthalten können. Nicht immer ist die Verwertbarkeit der Aufnahmen erwünscht.

Enthält die Dashcam belastende Aufnahmen, kann die Polizei die Dashcam unter bestimmen Voraussetzungen beschlagnahmen.[11] Erforderlich ist insbesondere das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts, ansonsten eine verpönte, verdachtsunabhängige Beweisausforschung vorliegt. Eine anlasslose Durchsicht der Aufnahmen im Rahmen einer Verkehrskontrolle wäre daher wohl unzulässig.[12] Der Inhaber der Aufzeichnungen hat die Möglichkeit, die Siegelung der Aufzeichnungen zu verlangen, so dass den Strafverfolgungsbehörden die Einsichtnahme in die Daten verwehrt bleibt.[13]

Die Strafprozessordnung enthält lediglich Bestimmungen für staatlich erhobene Beweismittel.[14] Von Privaten erhobene Beweismittel werden von der Strafprozessordnung nicht explizit geregelt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind von Privaten rechtswidrig erlangte Beweismittel nur verwertbar, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können und kumulativ dazu eine Interessenabwägung für deren Verwertung spricht. Es besteht aber kein prinzipielles Verwertungsverbot für privat erhobene Beweismittel.[15]

Die Voraussetzung, wonach das Beweismittel von den Strafverfolgungsbehörden hätte rechtmässig erlangt werden können, wird vom Bundesgericht tendenziell weit ausgelegt. Das Erfordernis eines vorbestehenden, hinreichenden Tatverdachts wird bei einem Verkehrsunfall mehr oder weniger fingiert.[16]

Bei der Interessenabwägung stehen sich das Interesse der Öffentlichkeit an der Wahrheitsfindung und das private Interesse an der Unverwertbarkeit der Beweise gegenüber. Das Öffentlichkeitsinteresse überwiegt umso eher, je schwerer die zu beurteilende Straftat ist.[17] Bei den privaten Interessen kommt es wieder auf die Perspektive an: Ein belasteter Gefilmter wird sich gestützt auf den Datenschutz oder den Schutz der persönlichen Freiheit und Privatsphäre auf die Unverwertbarkeit berufen. Der belastete Filmer wird dahingegen Mühe bekunden, private Geheimnisschutzinteressen geltend zu machen.

Die Verwertbarkeit der Aufnahmen interessiert jedoch nicht nur im Strafverfahren sondern auch im Verwaltungsverfahren. Als solches gilt beispielsweise das Administrativverfahren betreffend Anordnung von Massnahmen (Verwarnungen, Ausweisentzug, usw.). Das Verwaltungsverfahrensrecht enthält keine konkreten Bestimmungen zur Verwertung rechtswidrig erlangter Beweise. Das Bundesgericht hält sich hier an eine ähnliche Regel wie privat erhobene Beweismittel im Strafverfahren: Das Verwertungsverbot gilt nicht, wenn das Beweismittel auch auf rechtmässigem Wege hätte erlangt werden können und das Interesse an der Wahrheitsfindung allfällige verletzte Rechtsgüter überwiegt.[18]

Fazit

Die Zulässigkeit von Dashcams und die Verwertbarkeit der Aufnahmen sind gesetzlich nicht explizit geregelt. Die Rechtslage in der Schweiz ist mangels konkreter Gerichtsentscheiden ungewiss. Es wird daher auf die konkreten Umstände im Einzelfall und das richterliche Ermessen ankommen, ob die Aufnahmen einer Dashcam von den Behörden verwertet werden dürfen oder nicht.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 01/2017 veröffentlicht.

Vergleiche auch den Artikel "Dashcam als Beweismittel - ein Update" vom Juni 2018.


Fussnoten

  1. "Als "Dashcam" wird eine Videokamera bezeichnet, die meist auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs angebracht ist und während der Fahrt fortwährend aufzeichnet" (Wikipedia, "Dashcam", besucht am 13. Februar 2017).

  2. Art. 71a Abs. 1 und 4 VTS.

  3. Art. 31 SVG.

  4. Art. 3 VRV.

  5. Erläuterung zu Videoüberwachung in Fahrzeugen (Dashcam), Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB), Stand: Juli 2013.

  6. BGer 9C_785/2010 vom 10. Juni 2011 E. 6.3 f.

  7. Statt vieler BGE 136 III 410 E. 2.2.3 S. 413.

  8. Urteil des EGMR Nr. 61838/10 vom 18.10.2016.

  9. Rusch, Little Red Corvette, Big Black Box, in AJP 2016, S. 403 ff., S. 404, FN 6.

  10. Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Großbritannien, Italien, Malta, Niederlande, Norwegen (lediglich für den privaten Gebrauch, Fahrer darf hiervon nicht abgelenkt sein), Frankreich (solange keine Sichtbehinderung gegeben ist), Schweden, Serbien, Spanien; www.adac.de, besucht am 13. Februar 2017.

  11. Art. 246 StPO.

  12. Vgl. BGer 6B_1023/2014 vom 23. Februar 2015 E. 1.3.1 im Zusammenhang mit der Verwertung von Fahrtenschreiberaufzeichnungen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen.

  13. Art. 248 Abs. 1 StPO.

  14. Bspw. Art. 140 und 141 StPO.

  15. Statt vieler: BGer 1B_76/2016 vom 20. März 2016, E. 2.2.

  16. Vgl. Rusch, a.a.O., S. 404, mit Hinweisen auf BGer 6B_786/2015, E. 1.3.1; BGer 6B_983/2013 vom 24. Februar 2014, E. 3.3.1.

  17. Statt vieler: BGer 6B_983/2013 vom 24. Februar 2014, E. 3.3.2, mit Hinweisen.

  18. BGE 139 II 95 E. 3.1 S. 100 mit Hinweis auf BGE 120 V 435 E. 3b S. 440.

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