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Handels- und Gesellschaftsrecht

Verantwortlichkeit des Stiftungsrats von Unternehmensstiftungen

Stiftungen verfolgen in der Regel einen ideellen Zweck. In der Schweiz existieren aber schätzungsweise über 1000 Stiftungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Diese sogenannten Unternehmensstiftungen wurden vom Bundesgericht in einem älteren Entscheid ausdrücklich als zulässig erklärt.[1]

Bei Unternehmensstiftungen besteht das Stiftungsvermögen ganz oder zum grossen Teil aus einem Unternehmen oder einer massgebenden Beteiligung an einem solchen. Verbreitet sind solche Unternehmensstiftungen beim Betrieb von Spitälern, Schulen oder Heimen aber auch von Industrie und Dienstleistungsunternehmen.

Haftungsvoraussetzungen

Die Verantwortlichkeit der Stiftungsratsmitglieder gegenüber der Stiftung ist gesetzlich nicht explizit geregelt und richtet sich daher nach den Haftungsregeln des allgemeinen Teils des Obligationenrechts. Gerichtsurteile zur Verantwortlichkeit von Stiftungsräten sind selten.[2] Bei Unternehmensstiftungen kommt erschwerend hinzu, dass die Rechtsform der Stiftung grundsätzlich nicht auf unternehmerische Tätigkeiten zugeschnitten ist.[3] Die Haftungsvoraussetzungen sind das Vorliegen eines organschaftlichen Rechtsverhältnisses mit der Stiftung, eine Vertrags- oder Pflichtverletzung des Stiftungsrats, ein Schaden im Vermögen der Stiftung, ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und dem eingetretenen Schaden sowie ein Verschulden des fehlbaren Stiftungsratsmitglieds.

Vertrags- oder Pflichtverletzung

Zur Beurteilung der Pflichtverletzung massgebend sind unter anderem die Bestimmungen der Stiftungsurkunde oder des Stiftungsreglements sowie die gesetzlichen Bestimmungen in Art. 398 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 321e OR i.V.m. Art. 97 OR (auftrags- und arbeitsrechtliche Sorgfaltspflicht). Bei Unternehmensstiftungen werden die Rechte und Pflichten der Stiftungsratsmitglieder in der Regel durch schriftliche Arbeits- oder Mandatsverträge konkretisiert. Delegiert ein Stiftungsratsmitglied seine Aufgaben rechtmässig an eine Drittperson, obliegt ihm immerhin die Pflicht zur sorgfältigen Auswahl, Instruktion und Überwachung.[4]

Verschulden

Das Verschulden des Stiftungsratsmitglieds wird im Rahmen der vertraglichen Haftung vermutet. Der Entlastungsbeweis ist schwierig, wird doch ein objektivierter Massstab angesetzt. Gemessen wird an der Sorgfalt eines gewissenhaften und sachkundigen Stiftungsrats bei der Besorgung des ihm übertragenen Geschäfts (sog. berufsspezifisches Durchschnittsverhalten). Besondere Fachkenntnisse können den Sorgfaltsmassstab zusätzlich erhöhen.[5] Die Möglichkeit eines im Voraus erklärten Haftungsausschlusses (z.B. in der Stiftungsurkunde) ist umstritten.[6] Umso wichtiger ist daher die präzise vertragliche oder reglementarische Definition der an die Stiftungsratsmitglieder übertragenen Aufgaben.

Solidarität

Stiftungsratsmitglieder, für welche die vorgenannten Haftungsvoraussetzungen gegeben sind, haften untereinander solidarisch. Haben sie den Schaden gemeinsam verursacht und gemeinsam verschuldet, besteht echte Solidarität, mit der Folge, dass jedes Mitglied für den ganzen Schaden einzustehen hat.[7] Im Aktienrecht wurde mit Art. 759 OR die sogenannte differenzierte Solidarität eingeführt, welche eine Überprüfung der individuellen Schadenherabsetzungsgründe ermöglicht.[8] Ob diese Bestimmung jedoch im Stiftungsrecht ebenfalls anwendbar ist, liess das Bundesgericht in einem neueren Entscheid offen.[9] Zumindest bei Unternehmensstiftungen wäre eine analoge Anwendung der differenzierten Solidarität zu begrüssen.

Massnahmen bei Überschuldung

Gerade bei Unternehmensstiftungen, die regelmässig auch Passivverbindlichkeiten eingehen, lohnt sich ein Blick auf Art. 84a ZGB: Besteht begründete Besorgnis, dass die Stiftung überschuldet ist, muss der Stiftungsrat eine Zwischenbilanz aufstellen und der Revisionsstelle oder der Aufsichtsbehörde vorlegen. Nötigenfalls hat der Stiftungsrat Sanierungsmassnahmen zu beschliessen. Vernachlässigt oder verzögert der Stiftungsrat diese Aufgaben, kann eine Verantwortlichkeit wegen Konkursverschleppung drohen.[10] Unter Umständen zahlt es sich aus, die zuständige Stiftungsaufsicht frühzeitig in die Entscheidfindung einzubinden.

Aktivlegitimation

Zur Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegenüber den Stiftungsräten legitimiert ist in erster Linie die Stiftung selbst. Bei gewöhnlichen Stiftungen werden aus diesem Grund selten Gerichtsprozesse geführt, da der Stiftungsrat an einer Klage gegen einzelne oder ehemalige Stiftungsräte kaum ein Interesse haben wird. Bei Unternehmensstiftungen gleicht das Verhältnis zum Stiftungsrat hingegen eher demjenigen von Aktiengesellschaften zu ihren Verwaltungsräten, wo eine Zunahme von Verantwortlichkeitsansprüchen festzustellen ist.[11] Nicht zu vernachlässigen ist zudem das Risiko, dass sich Gläubiger allfällige Verantwortlichkeitsansprüche im Konkurs einer Unternehmensstiftung zwecks gerichtlicher Durchsetzung abtreten lassen.[12]

Versicherung

Zur Abfederung von solchen Schadenersatzforderungen werden spezielle Berufs- oder Organhaftpflichtversicherungen für Stiftungsräte angeboten. Gerade Stiftungsräte von Unternehmensstiftungen unterliegen einem erhöhten Haftungsrisiko und sind daher gut beraten, sich versichern zu lassen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend sollte ein Stiftungsratsmitglied einer Unternehmensstiftung seine vertraglichen und gesetzlichen Pflichten von Beginn seiner Tätigkeit an genau kennen und befolgen. Im Widerhandlungs- und Schadensfall erweist sich die Entlastung in der Regel als schwierig und es droht im Rahmen der Solidarität die Haftbarkeit jedes einzelnen Mitglieds für den ganzen Schaden.

Fussnoten

  1. BGE 127 III 337 E. 2 S. 339.

  2. Baumann Lorant, Der Stiftungsrat – Oberstes Organ gewöhnlicher Stiftungen, in: ZStP Band Nr. 214, 2009, S. 351.

  3. Meyer-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht mit Einbezug des künftigen Rechnungslegungsrechts und der Aktienrechtsreform, 11. Aufl., 2012, S. 734.

  4. Baumann Lorant, a.a.O., S. 352.

  5. Baumann Lorant, a.a.O., S. 354

  6. Burkhart/Kieser, Die Verantwortlichkeit des Stiftungsrats, in: Der Schweizerische Treuhänder, Nr. 4/2013, S. 212 mit Hinweisen.

  7. BGE 141 V 51 E. 9.1 S. 69.

  8. BGer 4A_468/2011 vom 4. Januar 2012, E. 1.3.

  9. BGE 141 V 51 E. 9.2 S. 69 f.

  10. zum Ganzen: Baumann Lorant, a.a.O., S. 316 ff.

  11. Baumann Lorant, a.a.O., S. 351.

  12. Art. 260 SchKG.

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