Geschwindigkeitsmessung
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Strafrecht

Geschwindigkeitsmessung

Herr Fiddlededee erschrickt. In den Händen hält er einen Strafbefehl. Er soll mit seinem Motorrad ausserorts ein Auto mit 114 km/h (nach Abzug 110 km/h) statt der erlaubten 80 km/h überholt haben und wird dafür mit einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen bestraft. Er kann sich nicht vorstellen, derart schnell gefahren zu sein. Zusätzlich droht ihm das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt einen Ausweisentzug von drei Monaten wegen einer schweren Widerhandlung gegen die Verkehrsregeln an.

Vielen geht es wie Herrn Fiddlededee. Sie trauen der Messung nicht, haben aber Angst vor möglichen Mehrkosten, wenn sie den Strafbefehl anfechten. Lohnt es sich Einsprache gegen den Strafbefehl zu erheben oder sind die (Kosten-) Risiken zu hoch?

Verfahren und Akteneinsicht

Die Staatsanwaltschaft kann einen Strafbefehl erlassen, wenn die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt eingestanden hat oder dieser anderweitig ausreichend geklärt ist und wenn sie eine Busse, eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten für ausreichend hält.[1] Gegen den Strafbefehl kann innert 10 Tagen Einsprache erhoben werden, ansonsten wird der Strafbefehl zu einem vollstreckbaren Urteil.[2]

Wenn die beschuldigte Person Einsprache erhebt, kann sie gleichzeitig die amtlichen Akten verlangen.[3] Diese können dann bei der Staatsanwaltschaft eingesehen und kopiert werden. Dem Anwalt werden die amtlichen Akten per Post zugestellt. Der Anwalt resp. die beschuldigte Person kann dann anhand der amtlichen Akten prüfen, ob die Geschwindigkeitsmessung korrekt erfolgt ist und wie die Chancen für einen Freispruch stehen. Zudem ist es möglich, weitere Beweisanträge zu stellen.

Nach der Prüfung der amtlichen Akten kann entschieden werden, ob an der Einsprache festgehalten wird, was ein Gerichtsverfahren zur Folge hat, oder aber ob man die Einsprache zurückzieht. Wird die Einsprache zurückgezogen und sind für die Staatsanwaltschaft keine weiteren Aufwendungen entstanden, erhebt diese meistens keine zusätzlichen Kosten.

Voraussetzungen einer Messung

Geschwindigkeitsmessungen sind u.a. mit stationären (Radar, Laser) und mobilen Messsystemen (Laser- und Radarpistole, Nachfahrkontrolle) sowie anhand von Abschnittsgeschwindigkeitskontrollen möglich.[4] Es ist auch zulässig Geschwindigkeitsüberschreitungen anlässlich einer Kontrolle der Arbeits-, Lenk- und Ruhezeit oder einer Unfallabklärung aufgrund von Aufzeichnungen von Fahrt- und Restwegschreibern sowie Datenaufzeichnungsgeräten festzustellen.[5]

Die Messsysteme dürfen nur durch geschultes Personal aufgestellt, eingerichtet, betrieben und gewartet werden.[6] Es muss also eine entsprechende Ausbildungsbestätigung vorliegen, welche die Schulung des Polizisten für das eingesetzte Messgerät nachweist.

Das verwendete Messgerät muss vom Eidgenössischen Institut für Metrologie METAS jährlich geeicht werden.[7] Aus dem entsprechenden Eichzertifikat ist ersichtlich, wann die letzte Eichung erfolgte und bis wann diese gültig ist. Liegt keine gültige Eichung vor, hätte das Messgerät nicht eingesetzt werden dürfen, was als Argument gegen die gemessene Geschwindigkeit vorgebracht werden kann.

Das ASTRA erliess Weisungen, was bei der Durchführung von polizeilichen Geschwindigkeitskontrollen zu beachten ist.[8] Anhand der Akten ist zu prüfen, ob die Weisungen eingehalten wurden und die Messung korrekt durchgeführt wurde.

So muss die Polizei beispielsweise bei bemannten Geschwindigkeitsmessungen ein Messprotokoll anfertigen, in welchem – je nach eingesetztem Messsystem – u.a. Datum, Zeit und Ort der Messung, die Fahrtrichtung der gemessenen Fahrzeuge, die höchstzulässige Geschwindigkeit am Messort, die Bezeichnung des Geschwindigkeitsmesssystems mit der METAS-Nummer, das Datum der letzten Eichung, die Bestätigung der Kontrolle der vorgeschriebenen Gerätetests und die verantwortliche Kontrollperson aufgeführt sein müssen.

Bei der Durchführung der Messung können verschiedene Fehler passieren. So können beispielsweise das Aufstellen eines Radargeräts in einer Kurve im falschen Winkel oder metallische Flächen und Gitter, welche reflektieren, sich negativ auf die Messung auswirken. Fehlmessungen können zudem entstehen, wenn bei der Radarpistole sich mehr als ein Fahrzeug im Bildbereich befindet, oder während der Messphase eine unerlaubte Schwenkbewegung gemacht wird. Bei Laserpistolen kann es zu Fehlern kommen, wenn zwei Fahrzeuge in grösserer Distanz nah aneinander fahren oder das Fahrzeug falsch anvisiert wird. Geschwindigkeitsmessungen mit einer Radar- oder Laserpistole, welche nicht genau in der Bewegungsrichtung des Fahrzeuges oder in einem Winkel erfolgen, wirken sich jedoch immer zugunsten des Fahrzeugführers aus. Wichtig ist stets, dass jeder Messwert zweifelsfrei dem gemessenen Fahrzeug zugeordnet werden kann. Die Videoaufnahme, das Radarfoto und das Messprotokoll können hier Aufschluss geben.

Ist die Messung korrekt erfolgt, ist zu überprüfen, ob von der gemessenen Geschwindigkeit ein korrekter Sicherheitsabzug vorgenommen wurde. Gemäss Art. 8 Abs. 1 VSKV-ASTRA beträgt dieser:

  • bei Radarmessungen: 5 km/h bei einem Messwert bis 100 km/h, 6 km/h bei einem Messwert von 101–150 km/h und 7 km/h bei einem Messwert ab 151 km/h;
  • bei Lasermessungen: 3 km/h bei einem Messwert bis 100 km/h, 4 km/h bei einem Messwert von 101–150 km/h und 5 km/h bei einem Messwert ab 151 km/h;
  • bei stationären Radarmessungen in Kurven: 10 km/h bei einem Messwert bis 100 km/h und 14 km/h bei einem Messwert ab 101 km/h;
  • bei mobilen Messungen nach Art. 6 lit. c Ziff. 1 mit Radar (Moving-Radar): 7 km/h bei einem Messwert bis 100 km/h, 8 km/h bei einem Messwert von 101–150 km/h und 9 km/h bei einem Messwert ab 151 km/h;
  • weitere Sicherheitsabzüge für Messungen mit stationären Schwellendetektoren, Abschnittsgeschwindigkeitskontrollen, Nachfahrkontrollen, Nachfahrmessungen, Geschwindigkeitsermittlungen auf der Basis eines zugelassenen Abstandsmessverfahrens, Aufzeichnungen von Fahrt- und Restwegschreibern und Geschwindigkeitsermittlung unter Verwendung eines Rotlichtüberwachungssystems in Kombination mit nicht typengeprüften Schleifendetektoren vgl. Art. 8 VSKV-ASTRA.

Schlussendlich ist zu prüfen, ob die massgebende Geschwindigkeit (gemessene Geschwindigkeit abzüglich des Sicherheitsabzugs) korrekt in den Strafbefehl übernommen wurde und ob die Strafe angemessen ist. Hierzu sind die Empfehlungen der SSK und die Richtlinien für die Strafzumessung des VBRS nützlich.

Fazit

Meistens ergibt sich, dass die Polizei die Messung korrekt vornahm. Zweifelt man jedoch an der Messung, lohnt es sich Einsprache gegen den Strafbefehl zu erheben und die amtlichen Akten vertieft zu prüfen.

Stellt sich die Messung als korrekt heraus, kann die Einsprache (oft ohne Kostenfolgen) zurückgezogen werden. Ergeben sich jedoch Fehler aus den amtlichen Akten, empfiehlt es sich, der Staatsanwaltschaft die Gründe mitzuteilen, welche dann das Verfahren einstellen oder dieses dem Gericht überweisen kann.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 06/2020 veröffentlicht.

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