Die "grosse" Revision des schweizerischen Aktienre...
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Handels- und Gesellschaftsrecht

Die "grosse" Revision des schweizerischen Aktienrechts- ausgewählte Punkte

Am 19. Juni 2020 hat das Parlament die neue Aktienrechtsrevision verabschiedet. Die Rede ist von der sogenannten «grossen» Aktienrechtsrevision. Ziel der aktuellen Revision ist es, das bestehende Aktienrecht moderner und flexibler auszugestalten und insbesondere die Aktionärsrechte zu stärken. Die Kernstrukturen der Aktiengesellschaft werden dabei jedoch nicht verändert. Mit dem  Inkrafttreten der Revision wird derzeit erst im Jahr 2023 gerechnet. In diesem Rechtsbrief wird auf einzelne ausgewählte Teilbereiche eingegangen.

Gründungsvorschriften und Aktienkapital

Wie bereits unter geltendem Recht beträgt nach der Revision das Mindestaktienkapital für die Gründung einer Aktiengesellschaft CHF 100 000.00, wovon mindestens CHF 50 000.00 anlässlich der Gründung geleistet werden müssen. Auch nach der Revision muss die Gründung einer Aktiengesellschaft von einem Notar öffentlich beurkundet werden.

Wesentliche Änderungen ergeben sich jedoch bei der Liberierung des Aktienkapitals: Neu muss das Aktienkapital nicht mehr zwingend in Schweizer Franken geleistet werden, sondern dies kann auch in einer für die Geschäftstätigkeit der Aktiengesellschaft wesentlichen, vom Bundesrat als zulässig festgelegten ausländischen Währung geschehen. Zum Zeitpunkt der Gründung muss der Gegenwert der ausländischen Währung mindestens CHF 100 000.00 betragen. Lautet das Aktienkapital auf eine ausländische Währung, so müssen die Buchführung und die Rechnungslegung auch in derselben Währung erfolgen (Art. 621 OR).

Das Minimum von 1 Rappen als Mindestnennwert pro Aktie wird mit der Aktienrechtsrevision aufgehoben. Neu kann der Nennwert einer Aktie auch kleiner als 1 Rappen sein, sofern der Nennwert der Aktien grösser als null ist (Art. 622 Abs. 4).

Explizit neu geregelt wird die Liberierung des Aktienkapitals mittels Verrechnung mit einer Forderung. Die Verrechnung mit einer Forderung gilt neu insbesondere auch dann als Deckung, wenn diese nicht mehr durch Aktiven gedeckt ist. Neu muss die Verrechnungsliberierung in den Statuten jedoch offengelegt werden (Art. 634 OR).

Gänzlich abgeschafft wird mit dem neuen Aktienrecht der qualifizierte Gründungstatbestand der Sachübernahme bzw. der beabsichtigten Sachübernahmen von den Aktionären nahestehenden  Personen (bisher Art. 628 Abs. 2 OR). In der Lehre und Praxis gab es bis dato immer wieder Abgrenzungsschwierigkeiten, ab wann genau eine beabsichtigte Sachübernahme vorlag. Die Abschaffung des qualifizierten Gründungstatbestandes der Sachübernahme und der beabsichtigten Sachübernahme stellt damit einen zu begrüssenden Schritt dar und schafft Rechtssicherheit bei der Gründung.

Neues Institut: das Kapitalband

Eine Neuerung stellt das neue Institut des sogenannten Kapitalbandes dar (Art. 653s ff. OR). Die Einführung dieses Kapitalbandes ermöglicht der Aktiengesellschaft neu ein flexibles Aktienkapital. Das Kapitalband ersetzt die heutige genehmigte Kapitalerhöhung, welche nur für maximal zwei Jahren genehmigt werden konnte und nur für Kapitalerhöhungen zulässig war (bisher Art. 651 und 651a  OR). Die Generalversammlung kann den Verwaltungsrat neu mittels Statutenänderung ermächtigen, während der Dauer von höchstens fünf Jahren das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite (das
sog. Kapitalband) zu verändern. In den Statuten muss jedoch genau festgelegt werden, innerhalb welcher Grenzen der Verwaltungsrat das Aktienkapital erhöhen und herabsetzen darf. Die obere Grenze des Kapitalbands darf das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital höchstens um die Hälfte übersteigen. Die untere Grenze des Kapitalbands darf das im Handelsregister eingetragene  Aktienkapital höchstens um die Hälfte unterschreiten. Die Kapitalherabsetzung ist im Rahmen dieses neuen Instituts jedoch nur dann zulässig, sofern die Aktiengesellschaft nicht auf die  eingeschränkte Revision verzichtet hat (Art. 653s Abs. 4 OR).

Modernisierung der Generalversammlung

Mit der neuen Aktienrechtsrevision wird weiter das Organ der Generalversammlung modernisiert und flexibler ausgestaltet und die Aktionärsrechte gestärkt.

a) Senkung der Schwellenwerte für die Einberufung

Die Schwellenwerte für die Einberufung der Generalversammlung durch die Aktionäre werden mit der Revision gesenkt. Neu können die Aktionäre auf schriftlichem Weg die Einberufung der Generalversammlung verlangen, sofern sie zusammen mindestens über 5 Prozent bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (bisher 10 Prozent) bzw. 10 Prozent bei nicht börsenkotierten Aktiengesellschaften des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen (Art. 699 Abs. 3 OR). Wird eine ausserordentliche Generalversammlung durch die Aktionäre verlangt, muss der Verwaltungsrat neu innert 60 Tagen zu einer ausserordentlichen Generalversammlung einladen.

b) Elektronische Einberufung

Bereits unter geltendem Recht war die Einberufung der Generalversammlung in elektronischer Form möglich, sofern dies die Statuten vorsahen. Aufgrund von Art. 696 OR mussten der  Geschäftsbericht und der Revisionsbericht trotzdem noch physisch am Sitz der Aktiengesellschaft aufgelegt werden und die Namenaktionäre mussten zusätzlich zwingend schriftlich über die Auflage benachrichtigt werden. Mit dem neuen Aktienrecht wird diese Auflegungs bzw. Benachrichtigungspflicht aufgehoben, was neu eine rein elektronische Einberufung der Generalversammlung ermöglicht
(Art. 699a OR).

c) Ausländischer Tagungsort

Die Durchführungsmodalitäten der Generalversammlung werden grundlegend modernisiert und dem digitalen Arbeitsalltag angepasst. Neu kann die Generalversammlung auch im Ausland  durchgeführt werden, sofern die Statuten dies vorsehen und der Verwaltungsrat bei börsenkotierten Gesellschaften bei der Einberufung der Generalversammlung einen unabhängigen  Stimmenvertreter bezeichnet (Art. 701b Abs. 1 OR). Bei nicht börsenkotierten Unternehmen kann der Verwaltungsrat auf die Bezeichnung eines unabhängigen Stimmenvertreters verzichten, sofern hierzu alle Aktionäre zustimmen (Art. 701 Abs. 2 OR).

d) Universalversammlung mit Zirkularbeschluss

Neu kann eine Universalversammlung auch auf schriftlichem oder elektronischem Weg mittels Zirkularbeschlusses erfolgen, sofern nicht ein Aktionär die mündliche Beratung verlangt (Art. 701 Abs. 3 OR).

e) Elektronische Teilnahme und Generalversammlung ohne Tagungsort

Der Verwaltungsrat kann neu vorsehen, dass Aktionäre, welche nicht am Ort der Generalversammlung anwesend sind, ihre Rechte auf elektronischem Weg ausüben können (Art. 701c OR). Die Statuten können sogar vorsehen, dass die Generalversammlung neu nur in elektronischer Weise, d.h. ohne Tagungsort, durchgeführt wird. Auch hier muss bei börsenkotierten Gesellschaften zwingend ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter bezeichnet werden (Art. 701d OR). Mit dieser Bestimmung öffnet das neue Aktienrecht der Gesellschaft die Möglichkeit, künftig rein virtuelle  Generalversammlungen via Online-Meeting (z.B. Teams, Zoom oder dergleichen) abzuhalten. Der Verwaltungsrat hat jedoch die Pflicht, sicherzustellen, dass

– die Identität der Teilnehmer feststeht;
– die Voten in der Generalversammlung unmittelbar übertragen werden;
– jeder Teilnehmer die Möglichkeit hat, Anträge zu stellen und sich an der Diskussion zu   beteiligen;
– das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann (Art. 701 Abs. 2 OR).

Treten während der Durchführung der Generalversammlung technische Probleme auf, welche eine ordnungsgemässe Durchführung der Generalversammlung verunmöglichen, muss die Generalversammlung grundsätzlich wiederholt werden. Beschlüsse, welche die Generalversammlung vor dem Auftreten der technischen Probleme gefasst hat, sollen hingegen gültig bleiben (Art. 701f OR). Relevante technische Probleme müssen zudem im Protokoll vermerkt werden (Art. 702 Abs. 2 Bst. 6 OR).

Fazit

Die geplante Aktienrechtsrevision eröffnet bestehenden Aktiengesellschaften neue Möglichkeiten. Für die Anpassungvon Statuten und Reglementen an die neuen Bestimmungen gilt gemäss Art. 2 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen eine zweijährige Übergangsfrist. Gerne steht Ihnen unsere Kanzlei für die entsprechenden Änderungen bzw. für die Überprüfung von bestehenden Statuten zur Verfügung.

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