Von Cowboys, Hampelmännern und Vatersöhnchen
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Öffentliches Recht

Von Cowboys, Hampelmännern und Vatersöhnchen

Für gewöhnlich ist die Lektüre von Bundesgerichtsentscheiden eine eher trockene Materie. Aber es kann durchaus auch mal anders sein.

Ein im Kanton Wallis registrierter Advokat trat als Rechtsbeistand einer Klientin auf, die als Beschuldigte von der Kriminalpolizei befragt wurde. Dabei ereiferte er sich über die beiden Polizeiinspektoren und titulierte sie anlässlich der Befragung als «Cowboys» und warf ihnen vor, dass «sie den Puck nicht sehen würden». Ausserdem bezeichnete er den im Gerichtssaal anwesenden Gegenanwalt als «Hanswurst», «Hampelmann» und  «Vatersöhnchen».

Der Kommandant der Kantonspolizei und der Oberstaatsanwalt zeigten den Advokaten in der Folge bei der Walliser Anwaltsaufsichtsbehörde an. Der Advokat machte im Aufsichtsverfahren geltend, dass er keine Berufsregeln verletzt hätte. Er gestand aber ein, dass er besser hätte ruhig bleiben sollen.

Was eigentlich für alle Berufe gilt, ist für Rechtsanwälte gesetzlich vorgeschrieben. Sie haben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben (Art. 12 lit. a Anwaltsgesetz, BGFA).

Die Anwaltsaufsichtsbehörde des Kantons Wallis sprach gegen den Advokaten eine Busse von Fr. 3000.– aus, die vom Kantonsgericht bestätigt wurde.

Das vom Advokaten angerufene Bundesgericht (BGer 2C_354/2021) kam in Bestätigung des Urteils des Kantonsgerichts zum Schluss, dass die Wahrung der Interessen der Klientschaft erste Berufspflicht eines Rechtsanwalts wäre. Dabei dürfte er sich auch lebhaft ausdrücken und müsste nicht die moderatesten Formulierungen wählen. Er müsste auch nicht jedes Wort abwägen. Gewisse Übertreibungen, ja selbst Provokationen müssten durchaus akzeptiert werden. Alle Mittel wären dabei aber nicht gestattet. Ein unnötig aggressives Verhalten eines Rechtsanwalts, das nicht im Interesse der Klientschaft läge, wäre mit sorgfältiger Berufsausübung nicht mehr zu vereinbaren. Im Umgang mit Behörden, Gegenparteien und Gegenanwälten müsste ein Rechtsanwalt auf persönliche Angriffe, Verleumdungen oder  Ehrverletzungen verzichten.

Auch andere Rechtsanwälte wurden disziplinarrechtlich sanktioniert

Ein Rechtsanwalt schrieb an den Präsidenten des Kassationsgerichts: «Oberrichter Dr. X. ist offenkundig korrupt! Er war heute den ganzen Nachmittag nicht im Büro, und Herr Y. (Kanzlei) hat mich als ein  Arschloch betitelt. Oberrichter Dr. X. und Rechtsanwalt Dr. Y. sind sofort wegen Kollusionsgefahr zu verhaften.»

Ein anderer Rechtsanwalt verglich die Rechtsprechung des Bundesgerichts mit der Justiz im Dritten Reich: «Das haben wir letztmals von 1933 bis 1945 so gehabt.»

Ein weiterer Rechtsanwalt hielt sich unter dem Titel «Bluthunde und Sauhunde führen den Nazi-Staat Schweiz» über eine als «diabolischen Einfall» bezeichnete Verzeigung durch einen Richter auf (aus der Praxis der Aufsichtskommission über die Anwälte des Kantons Zürich).

Wenn es keine schlechten Menschen gäbe, gäbe es keine guten Juristen (Charles Dickens).

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