Privatrecht
Geschürt durch Äusserungen der Medien oder des «lieben Nachbarn» befassen sich offenbar viele Menschen mit dem Gedanken, sich vor einem Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim wesentlicher Teile ihres Vermögens zu entledigen und so Heimkosten zu sparen. Nachstehend ein Versuch zu klären, mit nicht abgeschlossenen Gedanken zum Problem «Heimkosten».
Sowohl bei der «Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft» als auch bei der «Schenkung» handelt es sich um Rechtsgeschäfte unter Lebenden, bei welchen Vermögenswerte übertragen werden. Sind Grundstücke Gegenstand solcher Rechtsgeschäfte, müssen diese unter Beizug eines Notars öffentlich beurkundet werden.
Bei einer «reinen Schenkung» (Artikel 239 ff OR) erfolgt die Vermögensübertragung vollständig unentgeltlich, wogegen bei einer «gemischten Schenkung» – wie z.B. bei einer Übertragung eines Grundstücks zu einem deutlich unter dessen Verkehrswert liegenden Kaufpreis – entgeltliche und unentgeltliche Zuwendungen gleichzeitig erfolgen.
Die Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft, welche im Schweizerischen Zivilgesetzbuch als solche nicht geregelt ist und lediglich im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Verfügungen von Todes wegen (Artikel 527 ZGB) oder der Ausgleichungspflicht der Erben (Artikel 626 ZGB) erwähnt wird, setzt begrifflich die Vermögensübertragung an einen möglichen Erben des Abtreters[1] voraus. Abtretungen auf Rechnung künftiger Erbschaft werden oft auch als «Vorempfang» oder als «Erbvorbezug» betitelt, womit angedeutet wird, dass die Vermögenszuwendung Gegenstand der erbrechtlichen Auseinandersetzung im Erbgang des Abtreters sein wird.
Schenkungen an Nachkommen des Schenkers unterliegen von Gesetzes wegen der Ausgleichungspflicht, d.h. die Beschenkten haben sich die Zuwendung an ihren Erbteil anrechnen zu lassen, sofern der Schenker mit einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt hat.
Zur Ausgleichung aller auf Anrechnung an ihren Erbanteil erhaltenen Vermögenswerte sind die gesetzlichen Erben eines Erblassers, in erster Linie also wieder dessen Nachkommen, verpflichtet, sofern sie durch den Erblasser nicht von der Ausgleichung entbunden wurden.
Die Befreiung von der Ausgleichungspflicht findet ihre Schranken im Pflichtteilsrecht (Artikel 471 ZGB); hat ein Schenker oder Abtreter seine Verfügungsbefugnis überschritten, können pflichtteilsgeschützte Erben die Herabsetzung der lebzeitigen Zuwendungen verlangen.
Wurde früher eine Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft erst im Erbgang des Abtreters besteuert, werden heute sämtliche Zuwendungen unter Lebenden sofort mit der Schenkungssteuer belegt, sofern der Erwerber steuerpflichtig und nicht wie Ehegatte und Nachkommen (zu welchen auch Stief- oder Pflegekinder gehören) des Schenkers oder Abtreters steuerbefreit ist.
Eine Besteuerung im Kanton Bern erfolgt, wenn der Schenker oder Abtreter im Zeitpunkt der Zuwendung steuerrechtlichen Wohnsitz, Aufenthalt oder Sitz im Kanton Bern hat, oder wenn im Kanton Bern gelegene Grundstücke oder Rechte daran Gegenstand der Schenkung oder Abtretung auf Rechnung künftiger Erbschaft bilden.
Reine Schenkungen von Grundstücken lösen keine Grundstückgewinnsteuerfolgen aus und werden wie Steueraufschubtatbestände behandelt. Bei gemischten Schenkungen von Grundstücken im Kanton Bern erfolgt eine Grundstückgewinnbesteuerung, wenn der «Verkaufspreis» über dem amtlichen Wert des Grundstücks oder über den Gestehungskosten des Schenkers oder dessen Rechtsvorgängers liegt.
Bei Abtretungen auf Rechnung künftiger Erbschaft ist eine Grundstückgewinnsteuer immer dann ausgeschlossen, wenn dem Abtreter selber kein Entgelt zukommt, wobei der Vorbehalt einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts – wie bei der Schenkung – zu Gunsten des Abtreters oder dessen Ehegatten steuerlich nicht als Entgelt betrachtet werden. Ebenso wenig hinderlich für eine grundstückgewinnsteuerbefreite Übertragung eines Grundstücks sind die Übernahme von Grundpfandschulden zu Gunsten Dritter oder die Vereinbarung einer Verpfründung.
Schenkungen und Abtretungen auf Rechnung künftiger Erbschaft unterliegen unter gewissen Bedingungen keiner oder nur einer ermässigten Handänderungssteuer.
Beweggrund für eine lebzeitige Übertragung von Grundstücken an Nachkommen ist oft das Sparen von künftigen Kosten eines Alters- und/oder Pflegeheims. Heimbewohner müssen grundsätzlich die durch den Schweregrad ihrer Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit verursachten Nettobetriebskosten bezahlen. Sie haben Anspruch auf einen Sozialtarif, wenn sie trotz maximaler Ergänzungsleistungen nicht in der Lage sind, diese Kosten selber zu finanzieren; diese Regelung gilt nur für subventionierte Heime, wogegen nicht subventionierte Heime kostendeckende Tarife verlangen können und auch verlangen. Bei der Berechnung des Sozialtarifs werden Einkommen und Vermögen des Heimbewohners wie bei der Ermittlung seines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen berücksichtigt; dies bedeutet, dass auch Vermögenswerte, auf die der Heimbewohner vor seinem Heimeintritt ohne Gegenleistungen verzichtet hat, mit berücksichtigt werden.
Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben Bezüger von AHV-/IV-Renten, deren anerkannte Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen; «ausgesteuerte» Arbeitslose haben keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Bei der Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen wird dem Vermögensertrag ein bestimmter Vermögensteil als Einkommen (sog. Vermögensverzehr) zugerechnet, unter Einschluss – wie vorhergehend bereits erwähnt – von Vermögenswerten, auf die der Ansprecher verzichtet hat, ohne hierzu rechtlich verpflichtet gewesen zu sein oder ohne eine gleichwertige Gegenleistung erhalten zu haben. Das «Verzichtsvermögen» vermindert sich ab dem zweiten Jahr der Zuwendung um jährlich Fr. 10 000.–. – Da künftige Änderungen von Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen betreffend «Vermögensverzicht» und dessen Bewertung höchstwahrscheinlich auch auf Verzichtstatbestände anwendbar sein werden, welche vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen liegen, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von solchen Vermögensabtretungen schwer einzuschätzen. In diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf, dass, wer in günstigen Verhältnissen lebt, nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch verpflichtet ist, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden: die lebzeitige Zuwendung z.B. von Grundstücken an Nachkommen dürfte wohl vielfach «günstige Verhältnisse» schaffen oder fördern und oft gleichzeitig bewirken, dass sich die abtretende oder schenkende Person eines wesentlichen Teils ihres mühsam ersparten Alterskapitals entäussert und sich dadurch Existenzängsten aussetzt.
Schenkungen oder Abtretungen auf Rechnung künftiger Erbschaft sollten nicht (nur) aus Spargründen erfolgen: mit dem damit verbundenen Eigennutz verlieren sie ihren wahren Gehalt.
Fussnoten
Die Begriffe «Abtreter», «Schenker» usw. gelten selbstredend gleichzeitig für die Begriffe «Abtreterin», «Schenkerin» usw.!