Handels- und Gesellschaftsrecht
Der Aktionärbindungsvertrag (nachfolgend ABV) stellt ein Mittel dar, um die Nachteile der massgeblich vom Umfang der Kapitalbeteiligung an einer Aktiengesellschaft bestimmten Rechte der Aktionäre auszugleichen. Mit einem ABV wird versucht, die kapitalbezogene Struktur einer Aktiengesellschaft im Sinn einer Interessenbündelung zu personifizieren.[1]
Überall dort, wo Partner projektbezogen an einer Aktiengesellschaft beteiligt sind, leistet ein ABV nicht nur gute Dienste, sondern ist in der Regel unabdingbar.
Es gibt unterschiedliche Hintergründe für den Abschluss eines ABV: Partner gründen eine gemeinsame Aktiengesellschaft zur Realisierung eines Joint Ventures. Oder Kooperationspartner wollen sich im Rahmen eines konkreten Projekts binden. Oder Partner wollen ein Produkt, eine Idee gemeinsam verwerten.
Im ABV wird definiert, wie die Partner während der Dauer der Kooperation miteinander umgehen sollen. Zudem wird das Auseinandergehen geregelt, wenn die in Aussicht genommene Kooperation nicht zur Zufriedenheit funktioniert oder ein Partner aus anderen Gründen ausscheidet.
Die Aktiengesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft. Aufgrund dieser kapitalbezogenen Struktur wird bei der Zuweisung von Rechten für die Aktionäre überwiegend auf den Kapitaleinsatz abgestellt. Treue-, Loyalitäts- und Leistungspflichten sind dem Aktienrecht aus diesem Grund fremd. Dadurch entstehen Nachteile, die durch einen ABV wieder ausgeglichen werden können.
Der ABV beinhaltet im Sinn einer personenbezogenen Ausgestaltung der kapitalbezogenen Struktur der Aktiengesellschaft die Verpflichtung der angeschlossenen Aktionäre, sich bei der Ausübung ihrer Rechte als Aktionäre einheitlich zu verhalten. Der ABV dient der Absicherung der Aktionäre im gegenseitigen Verhältnis.
Der ABV ist auch das geeignete Mittel für eine koordinierte Ausübung der Aktionärsrechte. Er stellt eine koordinierte Interessenwahrung für bestimmte Aktionärsgruppen sicher und ermöglicht eine gegenwärtige und künftige Beschränkung des Aktionärskreises.
Parteien des ABV sind mehrere oder alle Aktionäre einer Gesellschaft, nicht aber die Aktiengesellschaft selbst, die vertraglich nicht verpflichtet werden kann. Der ABV wirkt nur unter den Vertragsparteien, die natürliche oder juristische Personen sein können. Ein ABV kann sowohl vor als auch nach der Gründung einer Aktiengesellschaft abgeschlossen werden. Der Abschluss bei der Gründung ist die Regel.
Ein Formzwang besteht für den ABV nicht. Aus Beweisgründen und aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedoch unbedingt Schriftform zu empfehlen. Diese soll auch für Änderungen oder Ergänzungen des ABV gelten. Enthält ein ABV Klauseln im Zusammenhang mit dem Ableben eines Aktionärs, stellen diese möglicherweise Verfügungen von Todes wegen dar und unterliegen damit den entsprechenden qualifizierten Formvorschriften (öffentliche Beurkundung durch einen Notar).
Die Verwendung von Musterverträgen oder die unreflektierte Übernahme von bestehenden Verträgen aus einem anderen Fall ist nicht zu empfehlen. Unterschiedliche Sachverhalte erfordern unterschiedliche Lösungen und damit auch eine fallbezogene Prüfung.
In den meisten ABV sind neben allgemeinen Bestimmungen Stimmbindungen und Verfügungsbeschränkungen enthalten.
Regelmässig sind etwa die folgenden allgemeinen Klauseln zu finden: – Eine Einleitung (Präambel), in welcher die Absichten der Vertragsparteien und Grundsätze dargelegt werden.
Weiterer Vertragsinhalt ist die Festlegung von Treuepflichten und Stimmbindungen der Vertragsparteien: – Die Pflicht zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft sowie zur Geheimhaltung.
Im Weiteren stellen Erwerbsberechtigungen einen Vertragsinhalt dar, mit dem Ziel, den gegenwärtigen und künftigen Aktionärskreis zu bestimmen:
Angesichts der Tragweite eines ABV ist zu empfehlen, dessen Ausarbeitung einer juristischen Fachperson (Rechtsanwalt, Notar) zu übertragen.