Öffentliches Recht
Seit der letzten allgemeinen Neubewertung 1999 haben sich die Verkehrs- und Ertragswerte von Grundstücken im Kanton Bern erheblich verändert, je nach Region unterschiedlich. Ab Mai 2020 eröffnet die Steuerverwaltung des Kantons Bern den Immobilienbesitzern die neuen amtlichen Werte.
Ziel der allgemeinen Neubewertung 2020[1] ist die Wiederherstellung der steuerlichen Gleichbehandlung. Die Bewertungsnormen sollen wieder den gesetzlichen Vorgaben und die neuen amtlichen Werte zwischen 70 bis 100 Prozent des jeweiligen Verkehrswertes entsprechen. Die amtlichen Werte sind unter Berücksichtigung der Förderung der Vorsorge und der Eigentumsbildung massvoll festzulegen.
Grundsätzlich gelten im Steuerrecht die in der Bundesverfassung festgeschriebenen Gebote der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen und der Gleichmässigkeit der Besteuerung. Das Steuerharmonisierungsgesetz lässt den Kantonen jedoch einen erheblichen Spielraum offen. Die mathematisch exakte Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen ist aus praktischen Gründen – auch nach Ansicht des Bundesgerichts[2] – unerreichbar. Dazu kommt, dass Schätzungen keiner exakten Wissenschaft folgen, weshalb Abweichungen unvermeidlich sind.[3]
Gemäss Steuerverwaltung des Kantons Bern wird ein Grossteil der neuen amtlichen Werte den Eigentümern/Nutzniessern zwischen Mai und September 2020 als separate Verfügung pro Grundstück mit eigenem Rechtsmittel eröffnet werden; in Einzelfällen erfolgt die Eröffnung später. Die Einsprachefrist beträgt 30 Tage ab Eröffnung.
Der neue amtliche Wert wirkt sich auf die Vermögenssteuer (Kanton und Gemeinden) und die Liegenschaftssteuer (Gemeinden) aus; der Eigenmietwert ist indirekt betroffen.
Der Verkehrswert[4] wird unter Berücksichtigung von Ertragswert[5] und Realwert[6] ermittelt. Bei der Bemessung des amtlichen Wertes wird der Realwert als sog. Realwertzuschlag, welcher sich aus Tabellen der Bewertungsnormen (als Ergebnis umfangreicher Auswertungen von Preisen von tatsächlichen Liegenschaftsverkäufen in der Bemessungsperiode) ergibt, berücksichtigt.
Jede Bewertung beruht auf einem Aufnahmeprotokoll vor Ort durch einen Schätzer. Im Objektprotokoll benotet der Schätzer die Gebäudeart, die Bauqualität, die Komfortstufe, die Wohn- bzw. Geschäftslage und die Verkehrslage sowie das wirtschaftliche Alter der Gebäude. Nicht berücksichtigt wird die Preisentwicklung und die Altersentwertung zwischen zwei allgemeinen Neubewertungen.
Aufgrund von Raumaufnahme, Benotung, wirtschaftlichem Alter und Berücksichtigung der Mietwertkategorie der Gemeinde lässt sich der Protokollmietwert (Basismietwert) des Gebäudes aus den Tabellen der Bewertungsnormen ablesen.
Die Bewertungsnormen basieren auf der Erhebung der tatsächlich bezahlten Mietzinsen in der Bemessungsperiode. Aus den Mietzinserhebungen ergibt sich die Mietwertkategorie.
Der für die Einkommenssteuer massgebende Eigenmietwert errechnet sich aus dem Protokollmietwert (Basismietwert) multipliziert mit dem amtlich festgesetzten Mietwertfaktor. Während der Bund die Besteuerung zum (ortsüblichen) Marktwert verlangt, erlaubt das bernische Steuergesetz, die Mietwerte bei Eigengebrauch (Eigenmietwerte) massvoll festzulegen.
Die Bewertung von Industrieliegenschaften, Grundstücken mit öffentlichen Bauten sowie von Land in der Bauzone erfolgt nach einem ähnlichen Bewertungs-/Benotungssystem, jedoch objektspezifisch angepasst. Die Bewertung von landwirtschaftlichen Gewerben erfolgt nach den Bewertungsnormen des Bundes, namentlich nach der eidgenössischen «Anleitung für die Schätzung des landwirtschaftlichen Ertragswertes».
Sofern Sie die Aufnahmeprotokolle für die in Ihrem Besitz stehenden Grundstücke noch nicht beschafft haben, empfiehlt es sich, dies sofort nachzuholen. Die Einsprachefrist von 30 Tagen ist, je nach Anzahl und Komplexität der zu prüfenden Objekte, knapp bemessen.
Gestützt auf die Erfahrungen bei früheren Neubewertungen empfiehlt es sich, insbesondere zu überprüfen, ob das Aufnahme-/Objektprotokoll und die Benotung mit dem zu bewertenden Gebäude effektiv übereinstimmen, ob der amtliche Wert die Bandbreite von 70 bis 100 Prozent des Verkehrswertes einhält und ob der Protokollmietwert im Bereich des effektiv erzielten oder erzielbaren Mietwertes liegt. Dieser grobe Prüfraster erlaubt es, «die Spreu vom Weizen zu trennen». Finden sich Fehler in der Bewertung oder überschreitet der amtliche Wert bzw. der Protokollmietwert den mutmasslichen Verkehrswert bzw. den Mietwert, ist eine genauere Prüfung und gegebenenfalls die Einreichung einer Einsprache zu empfehlen.
Die Einsprache ist innert der gesetzlichen Frist von 30 Tagen seit Eröffnung des amtlichen Wertes zu erheben, dies mit Antrag und Begründung, gegebenenfalls unter Einreichung sachdienlicher Beweismittel. Das Einspracheverfahren ist grundsätzlich kostenlos.
Entsprechend empfehlen wir Ihnen im Hinblick auf die – und nach Eingang der – Veranlagung der amtlichen Werte Ihrer Grundstücke durch die Steuerverwaltung des Kantons Bern folgendes Vorgehen:
Gerne stehen wir Ihnen für allfällige weitere Auskünfte, die Überprüfung von Veranlagungen und die Einreichung von Einsprachen und weiteren Rechtsvorkehren zur Verfügung.
Fussnoten
Allgemeine Neubewertung 2020:
Verkehrswert: der auf dem Markt unter normalen Verhältnissen erzielbare Verkaufspreis.
Ertragswert: kapitalisierter, auf dem Markt erzielbarer Ertrag, zum Kapitalisierungssatz entsprechend den Zinsverhältnissen in der Bemessungsperiode.
Realwert: Summe aus Zeit-/Zustandswert aller baulichen Anlagen und dem relativen Landwert.