Belastungsgrenzwerte am Beispiel einer neuen Kanto...
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Öffentliches Recht

Belastungsgrenzwerte am Beispiel einer neuen Kantonsstrasse

Es ist Montag, 23 Uhr, eine laue Sommernacht. Anna B. steht einmal mehr vor der schwierigen Entscheidung, entweder die kühlende Abendluft zusammen mit dem von der Strasse herrührenden Lärm in ihr Schlafzimmer strömen zu lassen oder im stickigen Zimmer in Ruhe einzuschlafen. Seit dem Bau der neuen Kantonsstrasse mit direkter Linienführung an der Liegenschaft von Anna B. vorbei, hat sich die Belastung der dortigen Bewohner durch Lärm und Erschütterungen deutlich erhöht.

Der folgende Artikel setzt sich mit den gesetzlichen Vorgabenzu sogenannten Belastungsgrenzwerten auseinander.

Definitionen

Einwirkungen sind insbesondere Lärm und Erschütterungen, die durch den Bau und den Betrieb von Anlagen – wie Verkehrswege und Strassen – erzeugt werden.

Lärm und Erschütterungen werden beim Austritt aus Anlagen als Emissionen, am Ort ihres Einwirkens als Immissionen bezeichnet.

Emissionsbegrenzungen sind technische, bauliche, betriebliche, verkehrslenkende, -beschränkende oder -beruhigende Massnahmen an Anlagen sowie bauliche Massnahmen auf dem Ausbreitungsweg der Emissionen. Sie sind geeignet, die Erzeugung oder Ausbreitung des Aussenlärms zu verhindern oder zu verringern.

Belastungsgrenzwerte sind Immissionsgrenzwerte, Planungswerte und Alarmwerte. Sie werden nach der Lärmart, der Tageszeit und der Lärmempfindlichkeit der zu schützenden Gebäude und Gebiete festgelegt.

Belastungsgrenzwerte

Das Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01) soll den Menschen und seine Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen und seine natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft erhalten (Art. 1 Abs. 1 USG).

Unabhängig von der bereits bestehenden Umweltbelastung sind Einwirkungen vorsorglich durch Massnahmen an der Quelle – wie die Wahl des Strassenbelags oder das Festsetzen von Maximalgeschwindigkeiten – so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG).

Steht fest oder ist zu erwarten, dass trotz vorsorglicher Emissionsbegrenzungen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden, sind die Emissionsbegrenzungsmassnahmen zu verschärfen.Im Fall der genannten neuen Kantonsstrasse kämen hierzu beispielsweise Lärmschutzwände in Frage. Die dafür zuständige Behörde beurteilt anhand der vom Bundesrat im Rahmen der Lärmschutzverordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) festgelegten Belastungsgrenzwerte (vgl. insbesondere Anhang 3 LSV), ob die Voraussetzungen für zusätzliche Emissionsbegrenzungsmassnahmen gegeben sind.

Weiter sind Immissionsgrenzwerte für Lärm und Erschütterungen grundsätzlich so festzulegen, dass – nach dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung – Immissionen unterhalb dieser Werte die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören (Art. 15 USG). Bei der Beurteilung im Einzelfall sind neben der zonenmässigen Zuordnung und der entsprechenden Empfindlichkeitsstufe der betroffenen Liegenschaften auch der Charakter des Lärms, Zeitpunkt und Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmbelastung der Zone, in der die Immissionen auftreten, zu berücksichtigen. Dabei ist nicht auf das subjektive Lärmempfinden einzelner Personen abzustellen, sondern eine objektive Betrachtung unter Berücksichtigung von Personen mit erhöhter Empfindlichkeit vorzunehmen (BGE 133 II 292 E. 3.3 S. 297).

Die Liegenschaft von Anna B. befindet sich in der Wohnzone mit Empfindlichkeitsstufe II, weshalb von folgenden Belastungsgrenzwerten auszugehen ist (vgl. Art. 2, Anhang 3 LSV):

Empfindlichkeitsstufe II: Planungswert
Tag: 55 dB(A)
Nacht: 45 dB(A)

Empfindlichkeitsstufe II: Immissionsgrenzwert
Tag: 60 dB(A)
Nacht: 50 dB(A)

Empfindlichkeitsstufe II: Alarmwert
Tag: 70 dB(A)
Nacht: 65 dB(A)

Zum besseren Verständnis einige Beispiele anderer Lärmquellen:

Kettensäge 1 m Entfernung: 110 dB(A) Dieselmotor 10 m Entfernung: 90 dB(A) Staubsauger 1 m Entfernung: 70 dB(A) normales Gespräch: 50 dB(A) ruhiges Schlafzimmer bei Nacht: 30 dB(A)

Mit entscheidend ist weiter, ob es sich bei der Quelle um eine Neuanlage oder um die Änderung einer bestehenden Anlage handelt. Die Kantonsstrasse vor der Liegenschaft von Anna B. gilt als Neuanlage, deren Planungswerte gemäss Art. 23 des Umweltschutzgesetzes unter den Immissionsgrenzwerten liegen müssen. Zudem haben Neuanlagen nach Art. 25 des Umweltschutzgesetzes und Art. 7 Abs. 1 Bst. bder Lärmschutzverordnung ein Immissionsniveau einzuhalten, bei welchem nach richterlicher Beurteilung höchstens geringfügige Störungen auftreten. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass bei der Änderung von bestehenden Anlagen anderslautende – hier nicht zu diskutierende – Bestimmungen zur Anwendung gelangen.

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