Das Einsichtsrecht ins Betreibungsregister bei ung...
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Privatrecht

Das Einsichtsrecht ins Betreibungsregister bei ungerechtfertigten Betreibungen

Gemäss geltendem Recht kann sich ein Schuldner gegen eine ungerechtfertigte Betreibung grundsätzlich nur dadurch zur Wehr setzen, indem er gerichtlich gegen den betreibenden Gläubiger vorgeht. Eine neue Regelung im SchKG wird es einem Schuldner zukünftig vereinfachen, dass ungerechtfertigte Betreibungen im Betreibungsregister für Dritte nicht mehr ersichtlich sein werden.

Vollstreckung von Geldschulden

Die Vollstreckung von Geldschulden erfolgt in der Schweiz gemäss dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, dem SchKG. Wird eine offene Geldforderung nicht bezahlt, kann der Gläubiger sie gegenüber dem Schuldner unter Inanspruchnahme des Betreibungsamts gemäss SchKG vollstrecken lassen.

Die Zwangsvollstreckung kann in der Schweiz ohne jegliche autoritative Ermächtigung eingeleitet werden. Vereinfacht gesagt kann somit jeder jeden betreiben. Dies auch ohne irgendwelchen Grund, nicht einmal eine vorgängige Mahnung ist erforderlich. Es reicht aus, ein Betreibungsbegehren an das Betreibungsamt zu richten.[1] Das Betreibungsamt darf nicht überprüfen, ob ein Anspruch tatsächlich besteht und muss in jedem Fall einen Zahlungsbefehl ausstellen.[2] Es obliegt dann vielmehr dem Schuldner, sich gegen eine Betreibung zur Wehr zu setzen. Er kann dies tun, indem er Rechtsvorschlag erhebt, der die Einstellung der Betreibung bewirkt.[3]

Will der Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben worden ist, diese fortführen, so hat er seinen Anspruch mit der Anerkennungsklage im ordentlichen Zivilprozess geltend zu machen.[4] Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Urteil oder auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, kann er die definitive oder provisorische Rechtsöffnung verlangen.[5]

Eintragung im Betreibungsregister

Die Möglichkeit, ohne jeglichen Nachweis des tatsächlichen Bestehens einer geltend gemachten Forderung eine Betreibung anzuheben, bringt die Gefahr mit sich, dass auch für bestrittene oder sogar nicht bestehende Forderungen eine Betreibung eingeleitet wird. Dies kann sogar zu eigentlichen Schikanebetreibungen führen, d.h. bewusste Falschbetreibungen. Problematisch ist dies vor allem deshalb, weil jede Betreibung in einem Betreibungsregister vermerkt wird und somit für Dritte ersichtlich ist.[6] Dies unabhängig davon, ob die in Betreibung gesetzte Forderung auch tatsächlich besteht.

Die betriebene Partei kann gegen eine (ungerechtfertigte) Betreibung wie ausgeführt zwar Rechtsvorschlag erheben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Betreibung, nunmehr mit der Anmerkung, dass Rechtsvorschlag erhoben worden sei, im Betreibungsregister ersichtlich bleibt. Der Eintrag im Betreibungsregister kann schwerwiegende Auswirkungen für die betriebene Partei haben, etwa wenn sie sich auf Stellen- oder Wohnungssuche befindet, oder um Vergabe eines Kredits ersucht.[7] 

In Medienberichten werden regelmässig Fälle von Schikanebetreibungen geschildert, so wie etwa der Fall aus einem kleinen Dorf, in dem ein Wirt gegen ein benachbartes Ehepaar eine Betreibung über 2 Millionen Franken einleitete. Als Forderungsgrund nannte er lapidar "diverses". Tatsächlich lagen sich die Parteien wegen den Öffnungszeiten des Restaurants seit langem in den Haaren. Die Nachbarn störten sich ab Lärm und Gestank; der Wirt seinerseits beklagte sinkende Umsatzzahlen, weil er den Garten habe zumachen müssen.[8]

Aufhebung einer Betreibung

In derart krassen Fällen ist eine Betreibung zumeist nichtig, nämlich wenn sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich angehoben wurde. Von solchen Betreibungen gibt das Betreibungsamt Dritten keine Kenntnis.[9] Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist jedoch nur in Ausnahmefällen davon auszugehen, dass eine Betreibung offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist der Fall, wenn mit der Betreibung offensichtlich Ziele verfolgt werden, die mit der Zwangsvollstreckung nicht das Geringste zu tun haben.[10]

In weniger eindeutigen Fällen ist der Gang zum Gericht notwendig, um feststellen zu lassen, dass die Schuld nicht besteht und folglich die Aufhebung einer (ungerechtfertigten) Betreibung zu verlangen.[11] Das Problem hierbei ist, dass die Gerichte einen vom Streitwert abhängigen Kostenvorschuss verlangen. Nicht zu unterschätzen ist zudem das Prozessrisiko und die Dauer, welche ein solcher Prozess in Anspruch nehmen kann.

Neue Regelung gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG

Das Parlament hat im letzten Winter daher eine neue Bestimmung ins SchKG aufgenommen, die es betroffenen Personen erleichtert, gegen eine ungerechtfertigte Betreibung vorzugehen. Gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG in der Fassung vom 16. Dezember 2016 gibt das Betreibungsamt Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, und der Gläubiger innerhalb einer Frist von 20 Tagen nicht den Nachweis erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet wurde.[12] 

Der genaue Zeitpunkt des Inkrafttretens steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass Betroffene künftig mit einem einfachen Gesuch ans Betreibungsamt verlangen können, dass ein Eintrag Dritten nicht mehr mitgeteilt wird. Das Gesuch kann frühestens drei Monate nach dem Erhalt des Zahlungsbefehl gestellt werden; der Gläubiger hat dann seinerseits 20 Tage Zeit, um zu beweisen, dass er die entsprechenden Schritte unternommen hat, um den Rechtsvorschlag zu beseitigen, sprich Einleitung eines Rechtsöffnungsverfahrens oder die Einreichung einer Klage beim Gericht. Wurde die Betreibung nicht weiterverfolgt, etwa weil es dem Betreibenden tatsächlich nur darum ging, in einer umstrittenen Streitsache Druck aufzusetzen, wird der Eintrag vom Betreibungsamt Dritten nicht mehr zur Kenntnis gebracht.[13] Wird dieser Nachweis nachträglich noch erbracht oder wird die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht.

Würdigung

Die neue Regelung ist grundsätzlich zu begrüssen. Sie erleichtert es Personen, die ungerechtfertigt betrieben worden sind, die erheblichen Nachteile eines Eintrags im Betreibungsregister abzuwenden. In solchen Fällen lässt die Betreibung keine vernünftigen Rückschlüsse auf die Kreditwürdigkeit zu, weshalb es gerechtfertigt ist, dass sie Dritten nicht zur Kenntnis gebracht wird.[14] Problematisch ist jedoch, dass gemäss dem Wortlaut der Bestimmung sich notorische Spätzahler unter Umständen einen sauberen Registerauszug verschaffen können, wodurch das Betreibungsregister seine Funktion als Mittel zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit einer Person nicht mehr vollumfänglich erfüllen könnte. Bei der Abwägung zwischen den Interessen des Schuldners auf Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen und dem Interesse eines potentiellen Gläubigers auf eine korrekte Betreibungsregisterauskunft ist dem erstgenannten somit grösseres Gewicht beigemessen worden.[15]

Fussnoten

  1. Art. 67 Abs. 1 SchKG; vgl. zum Ganzen auch Kurt Amonn/Fridolin Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl., Bern 2013, 120 ff.

  2. Vgl. Art. 69 Abs. 1 SchKG; ausdrücklich auch BGer 5A_250/2015 vom 10. September 2015, E. 4.1, wonach ein Zahlungsbefehl als Grundlage des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich gegenüber jedermann erwirkt werden kann, unabhängig davon, ob eine Schuld besteht oder nicht.

  3. Art. 74 Abs. 1 SchKG bzw. Art. 78 Abs. 1 SchKG.

  4. Art. 79 Abs. 1 SchKG.

  5. Art. 80 Abs. 1 bzw. Art. 82 Abs. 1 SchKG; zum Verhältnis der Anerkennungsklage zum Rechtsöffnungsverfahren eingehend BSK SchKG I-Staehelin, 2. Aufl., Basel 2010, N. 5 zu Art. 79 SchKG.

  6. Siehe Art. 8a Abs. 1 SchKG, wonach jede Person, die ein Interesse glaubhaft machen kann, Einsicht in das Betreibungsregister nehmen kann.

  7. Jolanta Kren Kostkiewicz, 5 Jahre ZPO aus der Sicht des SchKG, in: Annette Dolge (Hrsg.): 5 Jahre ZPO, Stolpersteine und überraschende Entwicklungen, Zürich 2016, 45.

  8. Nach fünf Monaten ist der «Tolggen» weg, derbund.ch, 19. Juni 2017 (http://www.derbund.ch/wirtschaft/nach-5-monaten-ist-der-tolggen-weg/story/23821557, abgerufen am 20. Juni 2017).

  9. Art. 8a Abs. 3 SchKG.

  10. Siehe bspw. BGer 5A_250/2015 vom 10. September 2015, E. 4.1; BGer 5A_76/2013 vom 15. März 2013, E. 3.1; BGer 5A_890/2012 vom 5. März 2013, E. 5.2.

  11. Art. 85 bzw. Art. 85a SchKG.

  12. BBl 2016, 8897.

  13. Der Ausschluss des Auskunftsrechts bewirkt nicht die unwiederbringliche Löschung der Information; diese soll lediglich Dritten nicht zugänglich gemacht werden; siehe BSK SchKG I-Peter, 2. Aufl., Basel 2010, N. 18 zu Art. 8a SchKG.

  14. Dazu eingehend: BSK SchKG I-Peter, 2. Aufl., Basel 2010, N. 18 zu Art. 8a SchKG.

  15. Vgl. auch Jolanta Kren Kostkiewicz, zit. in Fn. 7, 52.

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