Privatrecht
Seit 10 Jahren wohnt Frieda B. schon in einer 3-Zimmer-Wohnung in einer Liegenschaft des Kurt M. in Bern und fühlt sich wohl. Die Mietzinsen haben sich in den letzten Jahren erfreulicherweise immer gegen unten entwickelt. Sie hat aber gehört, dass die Hypothekarzinsen bald ansteigen sollen. Hat das Auswirkungen auf ihren Mietzins? – Welches Recht gilt eigentlich, haben wir nicht schon zwei Mal über Änderungen des Mietrechts abgestimmt? Auch Kurt M., der die Liegenschaft schon seit 30 Jahren selbst verwaltet, ist unsicher.
Die Hypothekarzinsen verharren zur Zeit auf einem historisch tiefen Niveau und «erfreuen» damit sowohl Eigentümer als auch Mieter. Sämtliche Finanz- und Wirtschaftsexperten rechnen aber jederzeit mit steigenden Zinsen, was zu Mietzinserhöhungen und nach geltendem Mietrecht auch zu einer ebenso grossen «Flut» von Mietprozessen führen wird.
Das Volk hat sich in den vergangenen Jahren bereits zwei Mal[1] gegen eine Revision des «neuen» Mietrechts von 1990 ausgesprochen. Das bedeutet nun aber nicht, dass Bundesrat und Parlament keinen Revisionsbedarf sehen: Insbesondere der Bundesrat bezeichnet das heutige Mietrecht in vielen Bereichen als mangelhaft; es habe sich von den wirtschaftlichen Realitäten entfernt.[2] Er will deshalb im ersten Halbjahr 2005 eine Vernehmlassung durchführen. Zu den Kernanliegen gehören die Loslösung der Mietzinsen von den Hypothekarzinssätzen und die Möglichkeit der Erhöhung des Mietzinses alleine aufgrund der Veränderung des Landesindexes der Konsumentenpreise. Das Mietrecht soll zudem vereinfacht und verbessert werden. Diese Stossrichtung wird sowohl vom Schweizerischen Hauseigentümerverband als auch vom Mieterverband grundsätzlich begrüsst, wenn auch über die Details sicher noch gestritten werden wird.
Bis es aber soweit ist, müssen wir uns mit dem komplizierten und höchst komplexen Mechanismus des Mietrechts von 1990 abfinden, welches im Übrigen auf einen Vorschlag einer Expertenkommission unter Vorsitz des heutigen Bundesrates Moritz Leuenberger zurückgeht.
Das heutige Mietrecht fusst auf der so genannten «Missbrauchsgesetzgebung », d.h. Veränderungen des Mietzinses oder Kündigungen, welche missbräuchlich sind, sollen verhindert, mithin mit gesetzlichen (Ungültigkeits-)Folgen belegt werden. Insbesondere beim Mietzins gilt die so genannte «relative Methode»:
Sowohl Mieter als auch Vermieter können zum Ausgleich von Kostenveränderungen, welche seit der letzten Mietzinsfestlegung eingetreten sind, eine Anpassung des Mietzinses verlangen. Massgeblich für die Bemessung der Veränderung sind die Kostenfaktoren, wie sie zur Zeit der letzten Mietzinsanpassung oder, wenn noch keine Mietzinsanpassung erfolgte, zu Mietbeginn bekannt waren. Das Mietrecht lässt folgende (relative) Mietzinserhöhungsgründe zu:
Bei befristeten Mietverhältnissen, die auf einen bestimmten Termin enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf, sind diese Regeln nicht anwendbar. Insbesondere Hypothekarzinsveränderungen haben in diesen Mietverträgen keinen Einfluss auf die Mietzinsgestaltung. Der Mietzins folgt in solchen Verträgen meist einer Indexklausel oder er wird gestaffelt.[5]
Neben den erwähnten relativen Mietzinserhöhungsgründen kennt das heutige Mietrecht noch drei so genannt absolute Mietzinskriterien:
Diese absoluten Kriterien dienen vor allem zur Berechnung eines nicht missbräuchlichen Mietzinses bei Neuabschluss eines Mietvertrags. In laufenden Mietverhältnissen können sie nur in Spezialfällen und unter bestimmten Bedingungen vorgebracht werden.[6]
Würden die Hypothekarzinsen beispielsweise um 3/4 Prozentpunkte anziehen (Leitzinssatz der massgebenden Bank, i.d.R. Kantonalbank) und die letzte Mietzinsanpassung stammte vom 1. Juni 2003 (damals senkte die BEKB das untere Zinsband auf heute unveränderte 3%), ergäbe sich für die 3-Zimmer-Wohnung von Frieda B. mit einem Nettomietzins von heute monatlich Fr. 1400.– folgende Berechnung:
von 3% auf 3,75% = 9% Erhöhung oder
+ Fr. 126.00
Stand Juni 2003: 102,9 Punkte[7]
Stand Februar 2005: 103,9 Punkte, 40% davon auf Miete überwälzbar oder 0,38%
+ Fr. 5.32
21 Monate oder 1,75%
+ Fr. 24.50
+ Fr. 155.85
Die Erhöhung würde also für Frieda B. empfindlich hoch ausfallen und pro Jahr immerhin einen Betrag von Fr. 1870.– ausmachen. Die Erhöhung ist aber nur in dem Umfang zulässig, als vorhergehende Mietzinssenkungen weitergegeben worden sind. Diese Umstände – auch bei Mieterwechseln – geben immer wieder zu Diskussionen und rechtlichen Auseinandersetzungen Anlass. Dass versucht wird, mit Mietzinsanfechtungen bei den Mietämtern «besser wegzukommen» ist deshalb verständlich, wenn auch für beide Seiten bemühend, weil mitunter während Wochen oder sogar Monaten nicht klar ist, welcher Mietzins tatsächlich bezahlt werden muss. Wegen der Komplexität der Materie werden Mietzinserhöhungen und -senkungen immer wieder falsch berechnet, was sich je nachdem für oder gegen die Mieter auswirken kann. Damit werden «aufsässige» Mieter gegenüber der schweigenden Mehrheit klar bevorzugt, was für ein gutes vertragliches Verhältnis die falschen Signale setzt. Darum ist die Absicht des Bundesrates, das Mietrecht für beide Parteien mit neuen Regeln zu vereinfachen, sicher ein Schritt in die richtige Richtung.
Ob die soeben publizierte[8] Lösungsmöglichkeit von Herrn Bundesrat Joseph Deiss hierzu den richtigen Ansatz bietet, ist fraglich, aber offenbar konsensfähig: Nach dem Wahlmodell sollen Mieter und Vermieter künftig frei entscheiden können, ob der Mietvertrag nach dem Modell der Kostenmiete (wie oben beschrieben) oder nach dem Modell der Indexmiete ausgestaltet wird. Im ersten Fall ist der Mietpreis von den effektiven Kosten abhängig, im zweiten wird die Miete an die Teuerungsentwicklungen geknüpft. Laut dem Bundesamt für Wohnungswesen soll geprüft werden, welche Kostenfaktoren im Rahmen einer neuen Kostenmiete gelten und ob Pauschalen eingeführt werden sollen. Weiter soll neu festgelegt werden, wann eine Mietzinserhöhung als missbräuchlich gilt.
Die Indexmiete stellt das Modell der gescheiterten Reformen dar. Als Richtwert für eine Mietzinsanpassung gilt dabei die allgemeine Preisentwicklung. Zur Debatte stehen folgende Eckpunkte:
Die Idee dieses Wahlmodells brachte offenbar der Hauseigentümerverband ein und der Mieterverband zeigt hierzu Gesprächsbereitschaft.
Falls dieses System tatsächlich zum Gesetz wird, würde sich alsbald zeigen, welches Modell sich mehr durchsetzt. Es ist aber auch klar, das «Doppelspurigkeiten» selten zur Vereinfachung führen.
Fussnoten
18. Mai 2003 («Ja zu fairen Mieten») und 8. Februar 2004 (Gegenvorschlag des Bundesrates zur Initiative «Ja zu fairen Mieten»)
«Die Ziele des Bundesrates im Jahr 2005» (BR-Beschluss vom 17.11.2004)
so das Mietamt Bern in konstanter Praxis
vgl. bspw. die Tabelle «Mietzinserhöhungen aufgrund wertvermehrender Investitionen» des HEV Schweiz oder Berechnungsbeispiel auf www.mietrecht.ch/deutsch/mietrecht/investitionen/index.html
Dabei muss der Mietvertrag mindestens für 5 (Indexmiete) bzw. 3 Jahre (Staffelmiete) fest abgeschlossen sein.
U. a. zur Ausschöpfung einer Mietzinsreserve, nach Handänderungen, als Einwand gegen ein Mietzinsherabsetzungsbegehren des Mieters, bei Ablauf einer Mindestdauer (Index- oder Staffelmiete) als Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse.
LIK auf Basis Mai 2003 = 100
siehe «Der Bund» vom Mittwoch, 13. April 2005, Seite 9