Öffentliches Recht
Behörden und Gemeinwesen beziehen auf dem freien Markt für ihre Aufgabenerfüllung Sachmittel und Leistungen von Anbietern. Man spricht von «öffentlicher Beschaffung», «Submission» oder «Vergabe», wobei dies gleichbedeutende Begriffe sind. Unterschieden wird zwischen Lieferungen, Dienstleistungen und Bauleistungen.
Die Schweiz ist per 1. Januar 1996 dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) beigetreten, welches im Rahmen der GATT-Übereinkommen die Grundzüge der öffentlichen Submission festlegt.
Die Festlegungen sind sogenannt «self-executing», d. h. sie finden im nationalen Recht ohne Weiteres Anwendung. Für den Bund gilt das Bundesgesetz über den Binnenmarkt (BGBM) und das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BÖB) mit dazugehörender Verordnung, und für Beschaffungen des Kantons Bern wurde das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBG) mit dazugehörender Verordnung geschaffen. Die jeweiligen Vergaben richten sich also nach verschiedenen Rechtsgrundlagen. Die Kantone haben zudem die interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVÖB) vom 25. November 1994 abgeschlossen, worin ergänzende Rechtsgrundlagen zu den kantonalen Grundlagen geschaffen wurden. Je nach Beschaffung (Gemeinde, Kanton oder Bund) sind die einzelnen Rechtsgrundlagen anwendbar. Währenddem die Schwellenwerte[1] für den Bund jeweils mit Verordnung den Schwellenwerten (in Euro) des GPA angepasst werden, hat sich der Kanton Bern feste Schwellenwerte gegeben: Danach ist das offene oder selektive Verfahren anzuwenden, wenn bei Bauaufträgen des Bauhauptgewerbes Fr. 500'000.– und bei Bauaufträgen des Baunebengewerbes sowie bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen Fr. 250'000.– erreicht werden. Im Einladungsverfahren sind Aufträge zu vergeben, wenn deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer Fr. 100 000.– erreicht.[2]
Nicht nur eigentliche Behörden und Gemeinwesen haben das öffentliche Submissionsrecht anzuwenden, auch privatrechtliche Institutionen und Anstalten, welche öffentliche Aufgaben versehen oder zum grössten Teil mittels Subventionen einen Leistungsauftrag zu erfüllen haben, unterliegen der öffentlichen Submission. Diese Fragen sind im Einzelfall genau abzuklären und zu entscheiden.
Das Rechtsgebiet der öffentlichen Submission ist noch jung und durch die mannigfaltige Rechtsprechung geprägt. Ziel der öffentlichen Submission ist die Vergabe an das wirtschaftlich günstigste Angebot, welches nicht immer das billigste sein muss. Entsprechend kommt den Regeln der Submission (Eignungsbedingungen, Zuschlagskriterien) grösste Bedeutung zu und damit einhergehend der Transparenz unter den Anbietern und der Gleichbehandlung. Das macht die öffentliche Submission für die Gemeinwesen und Behörden mitunter nicht einfach und kann auch zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen.[3] Paradoxerweise kann durch das Rechtsmittelverfahren, welches durch die öffentliche Submission ermöglicht wird, die eigentliche Vergabe auch teurer werden, als sie dies ohne Submission gewesen wäre. Im Hinblick auf den Rechtsschutz aller Mitbewerber ist dies aber hinzunehmen.
Es würde im Rahmen dieses Aufsatzes zu weit führen, die mannigfaltigen Probleme des öffentlichen Beschaffungswesens umfassend darzulegen. Ich beschränke mich deshalb auf zurzeit aktuelle Rechtsfragen, welche sich in der Praxis immer wieder stellen:
Seit es die öffentliche Submission gibt, stellt sich die Frage, ob es das «Unterangebot» gibt oder nicht. Unter «Unterangebot» versteht man ein Angebot, welches weit unter dem üblichen Marktpreis offeriert wird und damit die anderen Offerten massiv unterbietet. Bei den Vergabestellen steht man deshalb immer wieder vor der Frage, ob das Unterangebot vom Verfahren ausgeschlossen werden darf oder nicht. Nach schweizerischer Rechtsauffassung darf ein Angebot nicht allein wegen eines besonders günstigen Preises ausgeschlossen werden. Wettbewerbswidrig ist ein Unterangebot beispielsweise aber dann, wenn es von einem marktbeherrschenden Anbieter oder einem Zusammenschluss von Anbietern ausgeht, die auf diesem Weg versuchen, Mitbewerber durch gezieltes Unterbieten vom Markt zu verdrängen (sogenanntes «Dumping»). Bei öffentlichen Aufträgen kommt dieser Tatbestand jedoch schon deswegen nicht in Betracht, weil keiner der Anbieter über eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Kartellgesetz Art. 7 und 4 verfügt.[4] Es muss sich also um ein unlauteres Angebot im Sinne des UWG[5] handeln, beispielsweise wenn das Unterangebot so zustande kommt, dass durch die Verwendung von Einsparungen aus Steuer- und Abgabehinterziehungen ein «günstiges» Angebot unterbreitet werden kann.
Gleich verhält es sich, wenn ein Unternehmer irrtümlich zu tief eingibt. In diesem Fall ist der Anbieter auf seinen Irrtum hinzuweisen. [6] Wenn dieser verbindlich erklärt, an das Angebot weiterhin gebunden zu sein, ist dieses so zu berücksichtigen.
Als Fazit ist deshalb festzuhalten, dass das Unterangebot submissionsrechtlich nicht existiert und normal zu berücksichtigen ist.
Angebotsänderungen im laufenden Vergabeverfahren sind Ausnahmefälle. Normalerweise werden Angebote, nachdem sie bei der Beschaffungsstelle eingereicht worden sind, nicht mehr verändert (Grundsatz der Stabilität der Angebote).
Gleiches gilt für Ausschreibung und Ausschreibungsunterlagen nach Auflage (Grundsatz der Stabilität der Ausschreibung). Zu unterscheiden sind Angebotsänderungen vor dem Zuschlag und nach dem Zuschlag. Bei beiden besteht ein praktisches Bedürfnis, müssen eingereichte Angebote doch in vielen Fällen noch konkretisiert, ergänzt oder an veränderte Umstände und neue Erkenntnisse angepasst werden. Angebotsänderungen sind nur im Rahmen von Offertverhandlungen denkbar, weil die Anbieter an ihre Offerten gebunden sind und es ihnen nicht möglich ist, die Angebote einseitig abzuändern. Auch die Beschaffungsstelle hat keine rechtliche Möglichkeit, die Angebote einseitig zu verändern. Die IVÖB verbietet grundsätzlich die Durchführung von Abgebotsrunden, solche sind nur im freihändigen Verfahren zulässig. Offertverhandlungen dürfen aber im offenen und selektiven Verfahren vorgenommen werden, wenn sie sich nicht wesentlich auf das Preis-Leistungs-Verhältnis auswirken. Angebotsänderungen nach dem Zuschlag sind nur noch zulässig, soweit sie nicht wettbewerbsrelevant sind bzw. wenn sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit keine Rückwirkungen auf die Auswahl des Zuschlagsempfängers erzeugen könnten.
Allgemein verbindliche Aussagen zu beiden Themenkreisen zu machen, ist schwierig. Grundsätzlich besteht gegen jeden Zuschlag die Möglichkeit der Beschwerde innert zehn Tagen, wobei die Beschwerde an die zuständige Direktion des Regierungsrats zu richten ist, wenn es um kantonale Aufträge geht, und an die Regierungsstatthalterin oder den Regierungsstatthalter, wenn es um kommunale Vergaben geht. Wichtig zu wissen: Beschwerden haben von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, diese muss mit der Beschwerde beantragt und von der Rechtsmittelbehörde vorgängig entschieden werden.
Ein häufiges Problem bei öffentlichen Vergaben ist die Vorbefassung des Zuschlagsempfängers. Beispielhaft ist der kürzlich ergangene Entscheid des Luzerner Verwaltungsgerichts zu einem Bauauftrag von Energie Wasser Luzern (EWL), der Anfang 2009 der deutschen Firma Engenius zugeschlagen wurde.[7] Das Vergaberecht sagt, dass eine Vorbefassung, welche den Ausschluss des Bewerbers zur Folge hat, dann vorliegt, wenn eine Firma beteiligt ist, die Grundlagen für ein Projekt erarbeitet, Ausschreibungsunterlagen formuliert oder Offerten evaluiert hat. Bei der beanstandeten Vergabe durch EWL wurde die Vergabebehörde durch ein Beratungsbüro des deutschen Ingenieurs Lopp beraten und gab später den Zuschlag der Firma Engenius, bei der Lopp als Vorstand beteiligt ist. Zudem hatte EWL kurz vor der Vergabe des Auftrags eine neue Mitarbeiterin eingestellt, die bis dahin beim Beratungsbüro Lopp als Ingenieurin tätig war. Als Projektleiterin war sie mitverantwortlich für die Vergabe und den Zuschlag und hat die Zuschlagsverfügung auch selbst mitunterschrieben. Obschon EWL in den Ausschreibungsunterlagen auf diese Verknüpfungen hingewiesen und von den Teilnehmern verlangt hatte, auf eine Beschwerde wegen Vorbefassung zu verzichten, hat das Verwaltungsgericht die Zuschlagsverfügung aufgehoben.
Laut EWL wurde die Ausschreibung für die Anlage per Verfügung abgebrochen und der Auftrag wird neu vergeben.
In einem anderen Fall im Kanton Bern zog der verantwortliche Architekt zur Erarbeitung der Submissionsunterlagen eine Fachfirma bei, welche rund fünf Stunden für die Korrektur und Ausarbeitung der Unterlagen aufwendete. Es fanden zwei Sitzungen statt und die Submissionsunterlagen wurden hernach publiziert. Die beigezogene Fachfirma gab selbst eine Offerte ein und erhielt den Zuschlag, gegen welchen die im zweiten Rang befindliche Konkurrentin Beschwerde erhob. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern kam hier ebenfalls zum Schluss, dass eine unzulässige Vorbefassung vorlag und hob den Zuschlag auf. Die Vergabe musste wiederholt werden und die ursprünglich beigezogene Fachfirma konnte nicht mehr offerieren. Der Zuschlag erging hernach an das wirtschaftlich günstigste Angebot der Beschwerdeführerin.
Vorbefassungen werden von den kantonalen Gerichten streng geahndet und schon der Anschein der Vorbefassung kann ausreichen. Aus Sicht der Vergabestellen ist deshalb darauf zu achten, dass streng zwischen Offerenten und begleitenden Fachfirmen unterschieden wird. Sollte es sich um eine Vergabe handeln, welche nur ganz wenige oder sogar nur ein Bewerber auf dem Markt überhaupt ausführen können, ist eine freihändige Vergabe nach GPA Art. XV zu prüfen und es ist der Vergabestelle zu empfehlen, die freihändige Vergabe separat zu publizieren, wogegen wiederum innert zehn Tagen Beschwerde geführt werden kann.[8]
Eine gute Vorbereitung des Submissionsverfahrens ist aus Sicht der Vergabestelle das A und O einer erfolgreichen Vergabe. Dabei ist der Publikation der Eignungs- und Zuschlagskriterien höchstes Augenmerk beizumessen und es ist auch zu empfehlen, den abzuschliessenden Vertrag im Entwurf zu publizieren. Aus Sicht der Mitbewerber ist eine genaue Prüfung des Vergabeverfahrens ebenfalls Pflicht und es kann sich durchaus lohnen, eine Beschwerde «zu wagen». Die Beschwerdefrist von zehn Tagen ist äusserst kurz und der mit der Sache betraute Anwalt ist auf eine sofortige Kontaktaufnahme angewiesen, weil die Beschwerde nicht nur erhoben, sondern auch umfassend begründet werden muss.
Fussnoten
Schwellenwert: Wert der Beschaffungsdienstleistung oder Bauleistung, welche für die Anwendung der submissionsrechtlichen Bestimmungen erreicht werden muss.
ÖBG Art. 3 und 4
Vgl. hierzu beispielsweise die Vergabe des NEAT-Basistunnels am Gotthard sowie die Vergabe des INO des Inselspitals.
Sonderheft BR/DC 2004, S. 13
Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb
Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb
Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb
ÖBG Art. 6 i. V. m. ÖBG Art. 11 ff.