Öffentliches Recht
Durch die Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 hat sich im Hinblick auf den Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV/IV einiges verändert. Die nachfolgenden Ausführungen sollen Ihnen helfen, sich einen Überblick zu verschaffen.
Im ELG wurden die Artikel 10 Abs. 2 Bst. a und 11 Abs. 1 Bst. c sowie Abs. 1bis geändert bzw. neu eingeführt.
Artikel 10 Abs. 2 ELG definiert, welche Ausgaben bei Personen, die in einem Heim oder Spital leben, anerkannt werden. Dies sind einerseits die Tagestaxe und andererseits ein vom Kanton zu bestimmender Betrag für persönliche Auslagen. Beide Ausgabenpositionen werden durch den Kanton bestimmt. Im Kanton Bern ergeben sich je nach Pflegestufe (von 0 bis 12) maximal anrechenbare Tagestaxen.[1] Als persönliche Auslagen gem. Art. 10 Abs. 2 Bst. b ELG werden monatlich CHF 367.– anerkannt.[2]
Artikel 11 Abs. 1 Bst. c und Abs. 1bis ELG legt fest, wie das Vermögen einer anspruchserhebenden Person angerechnet wird. Von Bedeutung sind dabei die Freibeträge, die von Gesetzes wegen vor Anrechnung des Reinvermögens von jenem abgezogen werden können. Es gelten neu folgende Freibeträge:
Das um die genannten Freibeträge reduzierte Nettovermögen wird danach folgendermassen als Einkommen angerechnet: Bei IV-Bezügern zu einem Fünfzehntel, bei AHV-Bezügern zu einem Zehntel und bei Bezügern von Hinterlassenenrenten zu einem Fünfzehntel.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der anrechenbare Betrag bei versicherten Personen, die in einem Heim leben, einen Fünftel beträgt.[3]
Die neue Regelung von Art. 11 Abs. 1 Bst. c und Abs. 1bis ELG hat für Eigenheimbesitzer den Vorteil, dass der Wert der Liegenschaft, welcher bereits um die Hypothekarschuld gekürzt ist, massiv reduziert wird. Das Nettovermögen (inkl. Liegenschaft) wird damit nicht nur um die zustehenden Abzüge von CHF 37 500.– bzw. CHF 60 000.– sondern zusätzlich um CHF 112 500.– bzw. CHF 300 000.– reduziert bzw. der Vermögensposten «Liegenschaft» fällt, falls der Wert tiefer ist als CHF 112 500.– bzw. CHF 300 000.–, bei der Berechnung des anrechenbaren Vermögens sogar ganz weg.
Nun fragt sich, wie sich diese Regelung gegenüber dem Vermögensverzicht gem. Art. 11 Abs. 1 Bst. g ELG und Art. 17a ELV (SR 831.301) verhält. Eine allenfalls zum Bezug von Ergänzungsleistungen berechtigte Person, die ihre Liegenschaft verschenkt, muss sich die Einkünfte und Vermögenswerte, auf die sie verzichtet hat, anrechnen lassen,[4] der anrechenbare Betrag wird aber jährlich um CHF 10 000.– vermindert. Stossend wird die Aufrechnung des Vermögensverzichts dann, wenn die zum Bezug von Ergänzungsleistungen berechtigte Person oder ihr Ehegatte weiterhin in der verschenkten Liegenschaft wohnt. Denn in diesem Fall müsste sie die Liegenschaft vor 11 bis 12 Jahren verschenkt haben, um betreffend Vermögensanrechnung mit jenen gleichgestellt zu sein, welche die Liegenschaft in ihrem Vermögen behalten haben. Noch stossender wird die Ungleichbehandlung im Vergleich zu Personen, die gar Anspruch auf einen Freibetrag von CHF 300 000.– haben. Um mit diesen gleichzuziehen, müsste die Liegenschaft vor rund 30 Jahren verschenkt worden sein. Ob diese Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber gewollt war oder nicht berücksichtigt wurde, lässt sich der Botschaft zum Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung nicht entnehmen.
Um diese Ungleichbehandlung zu verhindern, müssten diejenigen, welche die Liegenschaft verschenkt haben, aber weiterhin wohn- oder nutzniessungsberechtigt sind, wie Eigentümer behandelt werden. Das Gesetz ist hinsichtlich der Frage, wer den Abzug vornehmen kann und wer nicht, unklar formuliert. In Art. 11 Abs. 1 Bst. g ELG ist die Rede von gehören und Art. 11 Abs. 1bis ELG spricht von besitzen der Liegenschaft. «Gehören» ist ein unjuristischer Begriff, «besitzen» ist juristisch definiert. Wohn- und Nutzniessungsberechtigte lassen sich darunter subsumieren. Ob dies allerdings die rechtsanwendenden Behörden auch so sehen, bleibt fraglich.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die neue Regelung des Freibetrags für Liegenschaften eine Schenkung an Kinder zum Erhalt des Familienvermögens nur noch Sinn macht, wenn sie lange vor Eingabe des Gesuchs um Ergänzungsleistungen geschieht.
Im Zug der neuen Pflegefinanzierung wurden noch andere Gesetze geändert. Erwähnenswert ist insbesondere die Kostenübernahme der Kantone für Pflegeleistungen.[5] Je nach Pflegestufe dürfen die Kosten, die der Versicherte selbst übernehmen muss, unabhängig von Einkommen und Vermögen einen bestimmten Betrag nicht überschreiten. So kostet die Pflege in der höchsten Pflegestufe 12 noch höchstens CHF 21.60 pro Tag. Den Restbetrag übernehmen die Krankenkasse und der Kanton. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Hotellerie- und auch die Infrastrukturkosten weiterhin durch den Heimbewohner selbst oder durch Ergänzungsleistungen bezahlt werden müssen.
www.ahv-iv.info/el
www.akbern.ch/ahv-iv-erganzungsleistungen
www.pro-senectute.ch/ergaenzungsleistungsberechnung
Fussnoten
vgl. Art. 3 EV ELG; BSG 841.311
vgl. Art. 6 EV ELG
vgl. Art. 11 Abs. 2 ELG i.V.m. Art. 3 EG ELG; BSG 841.31
vgl. Art. 11 Abs. 1 Bst. g ELG
vgl. Art. 25a des Krankenversicherungsgesetzes; SR 832.10