Privatrecht
Im Schweizer Immobilienmarkt können oft Häuser und Eigentumswohnungen, die noch gar nicht erstellt sind, erworben werden. Der Käufer plant die Gestaltung und Einrichtung selbst oder mit seinem Architekten, eventuell visualisiert er sein Haus oder seine Wohnung am Computer. Bedingung zum Erwerb ist der Abschluss eines Vertrags.
Für den Erwerb eines bereits bestehenden Gebäudes ist ein öffentlich zu beurkundender Kaufvertrag abzuschliessen. Neben der Kaufpreisvereinbarung enthält dieser gewöhnlich Bestimmungen zur Übergabe des Objekts, zu dessen Zustand und zur damit verbundenen Gewährleistung des Käufers. Der Erwerber hat die Möglichkeit, das Gebäude zu besichtigen und mit dem Verkäufer zu vereinbaren, welche Sanierungen noch zu dessen Lasten ausgeführt werden sollen. Nach Berner Praxis wird – soweit dies gesetzlich zulässig ist und nicht der Bundesgerichtspraxis widerspricht – die Gewährleistung für alle nicht schriftlich zugesicherten Eigenschaften ausgeschlossen. Die Haftung des Verkäufers für die zugesicherten Eigenschaften verjährt nach Ablauf von fünf Jahren. Voraussetzung für den Eintritt der Haftung des Verkäufers ist eine wirksame Mängelrüge durch den Erwerber. Wird eine Eigentumswohnung erworben, so tritt der Käufer als neuer Miteigentümer mit allen Rechten und Pflichten in die Stockwerkeigentümergemeinschaft ein.
Beim Erwerb eines Gebäudes oder einer Eigentumswohnung ab Plan entfällt die Möglichkeit der Besichtigung des Objekts, da dieses noch gar nicht erstellt ist. Zusätzlich zum Kaufvertrag muss deshalb noch ein Werkvertrag abgeschlossen werden. Im Unterschied zum Kaufvertrag kann der Werkvertrag formfrei abgeschlossen werden. Der Werkvertrag kann entweder in den Kaufvertrag integriert oder in einem separaten Schriftstück vereinbart werden. Werden zwei Schriftstücke erstellt, sollte die Verbindlichkeit beider Verträge gegenseitig voneinander abhängig gemacht werden.
Die Haftung des Verkäufers bzw. Erstellers für das Werk richtet sich nicht mehr nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Kaufvertrag sondern nach denjenigen zum Werkvertrag. Identisch ist bei beiden Vertragsarten, dass die dem Erwerber zustehenden Mängelrechte unter dem Vorbehalt einer wirksamen Mängelrüge stehen und nach fünf Jahren verjähren.
Mit einem Werkvertrag kann der Besteller nicht nur die Ablieferung des Werks, sondern schon die Herstellung des Gebäudes fordern. Der Anspruch eines Käufers beschränkt sich beim Kaufvertrag auf die Verschaffung von Besitz und Eigentum. Beim Abschluss des Vertragswerks zum Erwerb einer geplanten Baute ist darauf zu achten, dass die Pflicht zur Erstellung derselben unter den Parteien vereinbart wird. Nur so kann der Erwerber auch sein Recht auf Werkerstellung durchsetzen. Wird für ein künftiges Objekt «nur» ein Kaufvertrag ohne Herstellungspflicht abgeschlossen, entsteht kein Werkvertrag und die unmittelbare Erstellung des Objekts ist nicht einklagbar. Der Verkäufer haftet dann nur für den von ihm verursachten Schaden.
Der Besteller kann – unter Vorbehalt, dass dies vertraglich nicht ausgeschlossen worden ist – vor Vollendung des Werks, gegen volle Schadloshaltung der am Bau beteiligten Unternehmen, vom Vertrag zurücktreten, was dem Käufer beim Kaufvertrag verwehrt ist.
Die Bestellung eines Werks auf fremdem Boden ist gängig. Der Übergang von Nutzen und Gefahr am zu erstellenden Objekt wird üblicherweise von der Fertigstellung (Bezugsbereitschaft) abhängig gemacht. Dies hindert die Gültigkeit des Werkvertrags nicht, weil anders als beim Kaufvertrag die Verschaffung von Eigentum nicht zwingendes Vertragserfordernis ist. Gewöhnlich geht das Eigentum am Werk spätestens mit dem Grundbucheintrag des Vertrags auf den Käufer über. Zudem sollte normalerweise beim Kauf- und Werkvertrag, sowohl bei einem als auch bei zwei Vertragswerken, die Herstellung und der Eigentumsübergang in gegenseitigem Abhängigkeitsverhältnis stehen.
Nur nach Werkvertragsrecht kann der Besteller eines Bauwerks bei Mängeln auch die Nachbesserung verlangen, währenddessen nach Kaufvertragsrecht der Käufer lediglich die Wahl zwischen Minderung und Wandelung hat. Soll ein Käufer das Nachbesserungsrecht ebenfalls erhalten, ist dies besonders zu vereinbaren. Wird ein Objekt erworben, das zwar bereits fertig erstellt ist, zu welchem die Garantiefristen aber noch laufen, sollten die Mängelrechte, soweit gesetzlich zulässig, vom Verkäufer auf den Käufer übertragen werden.
Die SIA Norm 118 ist ein besonderes Regelwerk, welches speziell auf die Eigenheiten von zu erstellenden Bauwerken eingeht und die entsprechenden Haftungsgrundsätze regelt. Diese Norm kommt nicht automatisch zur Anwendung. Daher sollten die Parteien – wenn nicht besondere Umstände vorliegen – auf ihren Vertrag die SIA Norm 118 in der jüngsten Fassung für anwendbar erklären und vereinbaren, dass diese Norm den gesetzlichen Bestimmungen nach Obligationenrecht vorgeht. In diesem Zusammenhang ist auch die Rangreihenfolge der für das Werk entscheidenden Vertragsgrundlagen (Pläne, Baubeschrieb, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen etc.) festzulegen.
Bei Vertragsunterzeichnung ist darauf zu achten, dass geregelt wird, wie weit der Käufer/Besteller auf den Arbeitsprozess der Erstellung, den Bauablauf und die Wahl der Handwerker Einfluss nehmen kann. Dies ist für die meisten Käufer erst ab Fertigstellung des Rohbaus wesentlich, da mit dem Innenausbau das Erscheinungsbild geprägt wird (Ausstattung, Wahl von Boden- und Wandbelägen, Farbgestaltung, Beauftragung von Unternehmen zur Ausführung etc.).
Das Eigentum am Objekt, unabhängig davon, ob dieses teilweise, vollständig oder noch gar nicht erstellt ist, geht erst mit dem Grundbucheintrag auf den Erwerber über. Erst zu diesem Zeitpunkt erwirbt er alle mit dem Grundeigentum verbundenen Rechte und Pflichten.
In den Kauf- und Werkvertrag gehören weitere Standardformulierungen, insbesondere die Regelung der Folgen von Konkurs, von eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechten, von Verzug des Verkäufers/Erstellers und Zahlungs- und Annahmeverzug des Käufers/Bestellers.
Usanzgemäss werden im Kanton Bern die Mängelrechte – mit Ausnahme von Wandelung und Minderung, welche gemäss Bundesgerichtspraxis als Gestaltungsrechte nicht abtretbar sind – auf den Termin von Nutzen und Gefahr vom Verkäufer/Ersteller auf den Käufer/Besteller übertragen. Diese Usanz hat für den Käufer/Besteller zwar den Nachteil, dass das Mängelrisiko vom Verkäufer/Ersteller übernommen wird, aber dafür den Vorteil, dass er bei der Geltendmachung sämtlicher Rechte nicht auf die Mitwirkung desselben (man denke an Konkurs, nicht «handeln» trotz vertraglicher und gesetzlicher Verpflichtung und ähnliches) angewiesen ist und seine Ansprüche aus eigenem Recht geltend machen kann.
Was ist richtig, was ist falsch, überwiegt der Vor- oder der Nachteil? Müsste ich für mich entscheiden, möchte ich jederzeit selbst und ohne Mitwirkungserfordernis eines Dritten über die Mängelrechte verfügen können; selbst dann, wenn damit ein Kosten- und Prozessrisiko verbunden ist.