Erfahrungen mit dem neuen Fusionsgesetz (FusG)
Seitenbeginn

Handels- und Gesellschaftsrecht

Erfahrungen mit dem neuen Fusionsgesetz (FusG)

Am 1. Juli 2004 ist das neue FusG, welches die Anpassung der rechtlichen Strukturen von Gesellschaften im Zusammenhang mit Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen und Vermögensübertragungen (Umstrukturierungen) regelt, in Kraft getreten. Das Gesetz enthält substantielle Erleichterungen im Vergleich zum bisherigen Recht. In der Praxis stellen sich jedoch häufig Fragen, die mit den gesetzlichen Vorschriften und der bestehenden Rechtsprechung und Literatur nicht eindeutig beantwortet werden können – die angestrebte Rechtssicherheit wurde somit (noch) nicht erreicht.

Prinzipien des FusG

Mit folgenden, ständig zu beachtenden Prinzipien soll die Rechtssicherheit, die Transparenz und der Schutz der von der Umstrukturierung betroffenen Personen gewährleistet werden:

  • Die Stellung der Gesellschafter (Anteils- und Mitgliedschaftsrechte) darf durch Mehrheitsbeschluss nicht beeinträchtigt werden. Es gilt das Prinzip der Kontinuität der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte.
  • Den Gesellschaftern darf grundsätzlich keine Mehrbelastung, insbesondere keine zusätzliche Haftung auferlegt werden. In Fällen, in denen eine Mehrbelastung möglich ist, bedarf der Beschluss der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter.
  • Alle Vorgänge sind in einem Fusions-, Spaltungs- oder Vermögensübertragungsvertrag bzw. einem Spaltungsoder Umwandlungsplan, welcher die gesetzlichen Mindestanforderungen zu erfüllen hat, zu regeln. Dieser ist mit einem Bericht zu erläutern, zu ergänzen und offen zu legen. Bei KMU kann mit Zustimmung aller Gesellschafter darauf verzichtet werden.
  • Durch Universalsukzession gehen sämtliche Aktiven und Passiven auf den neuen Rechtsträger über, wobei sich die Frage stellt, was mit den von der übertragenden Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäften geschieht (vgl. «Universalsukzession – Übertragungshindernisse» hiernach).
  • Je nach Gefährdungspotential sind Gläubigerschutzbestimmungen zu beachten. Diese sind (unverhältnismässig) streng, weshalb in der Praxis gegenüber der Spaltung und der Vermögensübertragung grössere Zurückhaltung festzustellen ist.
  • Zum Schutz der Arbeitnehmenden gehen die Arbeitsverträge in Anwendung von Art. 333/333 a OR auf den übernehmenden Rechtsträger über.

Ziel des neuen FusG ist es, Umstrukturierungen zu erleichtern. Allein die in jedem Fall zu beachtenden Prinzipien lassen erahnen, dass bei der Anwendung der einzelnen gesetzlichen Vorschriften reichlich Potential für Rechtsunsicherheiten und damit Rechtsstreitigkeiten besteht.

Faktoren für eine erfolgreiche Umstrukturierung

Einfache Umstrukturierungen, wie z.B. die Fusion von Mutter- und Tochtergesellschaften sowie Konzerngesellschaften – in der Praxis wohl die häufigsten Fälle – lassen sich nach neuem FusG relativ einfach bewerkstelligen.

Komplizierte Umstrukturierungen erfordern jedoch ein systematisch-managementmässiges Vorgehen. Eine gründliche Vorbereitung hilft, späteres Ungemach zu vermeiden.

Kritische Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg einer Umstrukturierung entscheiden, sind:

  • konsequente, speditive Umsetzung der Strategie/Fusionsziele, mit permanenter Kontrolle, ob deren Erreichung gewährleistet ist;
  • adäquate Projektorganisation mit Aufgaben- und Kompetenz-Zuweisungen;
  • Identifikation der Projektverantwortlichen mit der Strategie/den Fusionszielen;
  • genügende Entlastung der Projektverantwortlichen vom operativen Tagesgeschäft;
  • Risikoanalyse und, nach Bedarf, Due Diligence Prüfung (Prüfung der Umstrukturierung nach geforderter Sorgfalt);
  • Eruierung und Realisierung potentieller Vorteile und Synergien; ständige Optimierung der Umstrukturierungskosten;
  • wirksame, transparente interne und externe Kommunikation;
  • zügige Integration und Umsetzung der Unternehmens- kultur.

Zu Beginn jeder Umstrukturierung ist eine Risikoanalyse vorzunehmen, welche während der Umsetzung der Umstrukturierung ständig zu aktualisieren ist. Zu überprüfen ist, ob sich wahrscheinlich wesentliche Rechtsprobleme stellen, und wenn ja, welche. Die erkannten Rechtsprobleme sind – in enger Zusammenarbeit mit den übrigen Projektverantwortlichen – projektfördernd zu lösen.

Nebst dem FusG sind bei der Umsetzung von Umstrukturierungen je nach Sachverhalt diverse weitere gesetzliche Vorschriften mit zu berücksichtigen (Steuergesetzgebung, internationales Privatrecht, Kartellgesetz, Börsenvorschriften, etc.).

Erleichterungen für KMU

Nebst den Erleichterungen für die Fusion von Mutter und Tochtergesellschaften sowie Konzerngesellschaften sieht das FusG insbesondere auch Erleichterungen für KMU (kleine und mittlere Unternehmen) vor. Das FusG definiert, welche Unternehmen als KMU gelten, wobei nicht klar definiert ist, welche Grössen bei konzernähnlich strukturierten KMU hierfür relevant sind.

Mit Zustimmung aller Gesellschafter (nicht nur der Anwesenden) kann bei KMU auf einen Bericht, dessen Prüfung sowie das Einsichtsrecht in die Fusions-, Spaltungs- und Umwandlungsunterlagen verzichtet werden.

In der Praxis sind diese Erleichterungen nur für KMU mit einem kleinen Kreis von Gesellschaftern, welche die Verhältnisse kennen, von Bedeutung. Sind zahlreiche, mit den Verhältnissen nicht vertraute Gesellschafter vorhanden, lohnt es sich erfahrungsgemäss nicht, auf Bericht, Prüfung und Einsichtsrecht zu verzichten, da die Gefahr zu gross ist, dass ein Gesellschafter seine Zustimmung verweigert.

Dem Handelsregisteramt ist eine Erklärung des obersten KMU-Organs einzureichen, aus welcher hervorgeht, dass sämtliche Gesellschafter zugestimmt haben; zudem muss auch der Nachweis erbracht werden, dass es sich um ein KMU handelt.

Universalsukzession – Übertragungshindernisse

Bei Umstrukturierungen nach FusG gehen Aktiven und Passiven ganz oder partiell durch Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) auf den neuen Rechtsträger über. Das Gesetz äussert sich jedoch nicht zur Frage, ob bestehende rechtsgeschäftliche Übertragungshindernisse (Abtretungsverbot, Vorkaufsrecht, Change-of-Control- oder Change-of-Ownership-Klauseln, etc.) dem entgegen stehen. Zwecks Vermeidung von diesbezüglichen Rechtsunsicherheiten und Überraschungen empfiehlt es sich, die Rechtsverhältnisse vorgängig auf solche Stolpersteine hin zu überprüfen. Bei Bedarf sind die Vertragspartner zu informieren und von ihnen Zustimmungen/Verzichtserklärungen einzuholen. Besteht noch kein Vertragsmanagementsystem, sind im Zusammenhang mit Umstrukturierungen in der Regel vorgängig sämtliche Rechtsgeschäfte sachdienlich aufzuarbeiten.

Vermögensübertragungen von Gesellschaften, die im Handelsregister eingetragen sind, richten sich nach den Vorschriften des FusG. Art. 181 OR (Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäftes) kommt nur noch dann zum Zug, wenn eine Gesellschaft, die nicht im Handelsregister eingetragen ist, ihr Vermögen überträgt oder wenn Vermögen auf eine natürliche Person übertragen wird. Als Alternative zur Vermögensübertragung ist die Übertragung von Vermögensteilen durch Singularsukzession, unter Beachtung der diesbezüglichen Bestimmungen des OR, zulässig.

Vollzug von Umstrukturierungen

Die Fristen des FusG geben den Zeitplan einer Umstrukturierung vor. So darf eine Bilanz bei Abschluss des Umstrukturierungsvertrags nicht älter als sechs Monate sein; für das Einsichtsrecht der Gesellschafter in die Umstrukturierungsunterlagen gilt eine Frist von dreissig Tagen. Sind im Rahmen einer Umstrukturierung mehrere dem FusG unterliegende Tatbestände zu realisieren und/oder ist eine umfassende Risikoanalyse/Due Diligence Prüfung vorzunehmen, muss mit den notwendigen Vorbereitungen rechtzeitig vor dem Bilanzstichtag begonnen werden.

Die in den letzten Jahren festgestellte Tendenz, dass die Registerbehörden ihre Kognition ausdehnen, wurde durch das neue FusG nicht gebremst. Hinzu kommt, dass die Praxis der Handelsregisterämter zum neuen FusG nicht einheitlich ist (im Kanton Bern versuchen die Handelsregisterämter ihre Praxis zu koordinieren). Unter diesenUmständen ist es bei komplizierten Umstrukturierungen angezeigt, das Vorgehen vorgängig mit den Registerämtern abzusprechen und die Umstrukturierungsunterlagen durch diese vorprüfen zu lassen.

Umstrukturierungen werden grundsätzlich mit dem Eintrag ins Handelsregister rechtswirksam. Jede nach FusG zur Anfechtung legitimierte Person kann Umstrukturierungsbeschlüsse innert Frist (zwei Monate) anfechten. Ist ein Mangel behebbar, so räumt das Gericht den betroffenen Rechtsträgern dazu eine Frist ein. Bei Nichtbehebung des Mangels innert Frist oder wenn ein Mangel nicht behebbar ist, hebt das Gericht den Beschluss auf und ordnet die erforderlichen Massnahmen an. Umstrukturierungen haben auch nach neuem FusG ihre juristischen Tücken!

Hinweise Literatur und Internet

  • Baker & McKenzie, Stämpflis Handkommentar zum Fusionsgesetz
  • Vischer, Zürcher Kommentar zum Fusionsgesetz
  • Watter/Vogt/Tschäni/Daeniker, Basler Kommentar zum Fusionsgesetz
  • Kreisschreiben Nr. 5 der Hauptabteilung Direkte Bundessteuer betreffend Umstrukturierungen
  • www.fusionsgesetz.ch
  • Fusionsgesetz (FusG): SR 221.301/www.admin.ch/ch/d/sr/c221_301.html

Artikel speichern

pdf (214 KB)

Artikel teilen

Share