Inhaberaktien – ein Auslaufmodell?
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Privatrecht

Inhaberaktien – ein Auslaufmodell?

Die Umsetzung der Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke hat weitreichende Folgen. Es besteht Handlungsbedarf bei Gesellschaften mit Inhaberaktien, für den Verwaltungsrat und die Aktionäre.

Börsenkotierte Inhaberaktien und solche als Bucheffekten

Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke[1] am 1. November 2019 sind Inhaberaktien nur noch zulässig, wenn die Gesellschaft Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert oder die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet hat. Bereits heute sind solche Beteiligungspapiere jedoch i.d.R. als Namenaktien ausgestaltet.

Vorschriftswidrige Führung Aktienbuch oder Verzeichnis

Mit Busse wird seit dem 1. November 2019 bestraft, wer vorsätzlich bei einer Aktiengesellschaft das Aktienbuch [2] oder das Verzeichnis über die an Aktien wirtschaftlich berechtigten Personen nicht vorschriftsgemäss führt oder die damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Pflichten verletzt [3].

Was passiert mit den übrigen Inhaberaktien?

Am 1. Mai 2021 werden alle übrigen Inhaberaktien[4] unzulässig und von Gesetzes wegen in Namenaktien[5] umgewandelt. Gesellschaften, die dies verhindern wollen, haben somit vor diesem Datum durch einen entsprechenden Generalversammlungsbeschluss die Inhaberaktien in Namenaktien umzuwandeln, unter entsprechender notariell beurkundeter Statutenänderung.

Soweit Inhaberaktien von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt wurden, können sich die Aktionäre ab dem 1. Mai 2021 nicht mehr direkt bei der Gesellschaft melden. Sie können jedoch bis am 31. Oktober 2024 beim zuständigen Gericht ihre Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft beantragen, wobei sie beweisen müssen, dass sie die rechtmässigen Inhaber der umgewandelten Aktien sind. Nach unbenutztem Ablauf der Frist verlieren die Aktionäre ihre mit den Aktien verbundenen Rechte endgültig.

Die Präsentation des Aktientitels (Aktie oder Aktienzertifikat) genügt als Nachweis der Aktionärseigenschaft nicht. Als Beweismittel kann beispielsweise ein Zeichnungsschein oder ein Zessionsvertrag dienen. Wenn die Gesellschaft sich der Eintragung in das Aktienbuch widersetzt, muss der Aktionär zuerst gegen die Gesellschaft klagen, um seine Rechte anerkennen zu lassen. Solange das Gericht den Antrag auf Eintragung nicht gutgeheissen hat, ruhen die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs, und die Vermögensrechte verwirken.

Am 1. November 2024 werden Aktien von nicht gemeldeten Aktionären von Gesetzes wegen nichtig. Die nichtigen Aktien werden durch eigene Aktien ersetzt, über welche die Gesellschaft bzw. deren Verwaltungsrat im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen frei verfügen kann.

Aktionäre, deren Aktien ohne eigenes Verschulden am 1. November 2024 nichtig geworden sind, können bis 31. Oktober 2034 gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Dafür müssen sie ihre Aktionärseigenschaft zum Zeitpunkt des Nichtigwerdens der Aktien und ihre Schuldlosigkeit nachweisen. Schuldlosigkeit liegt nur vor, wenn der Aktionär objektiv nicht die Möglichkeit hatte, vom Inkrafttreten des neuen Rechts Kenntnis zu nehmen, oder wenn er sich seiner Aktionärseigenschaft nicht bewusst war, also keine Kenntnis von der Erbschaft bzw. von den sich in dieser Erbschaft befindenden Aktien hatte.

Der wirkliche Wert der Aktien zum Zeitpunkt ihrer Umwandlung ist von der Gesellschaft zu entschädigen. Ist der wirkliche Wert der Aktien zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs tiefer als zum Zeitpunkt ihrer Umwandlung, so schuldet die Gesellschaft diesen tieferen Wert.

Per 31. Oktober 2034 geht der Entschädigungsanspruch von schuldlos entrechteten Aktionären unter.

Entsprechend empfehlen wir Aktionären bzw. Verwaltungsräten von Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien folgendes Vorgehen:

Checkliste / Handlungsbedarf

Für Aktionäre:

  • Suchen Sie baldmöglichst nach allfälligen Inhaberaktien.
  • Prüfen Sie, ob die Inhaberaktien börsenkotiert oder als Bucheffekten ausgegeben sind. Machen Sie der Gesellschaft Meldung von Ihrem Aktienbesitz.
  • Prüfen Sie im Zefix (Zentraler Firmenindex), ob die Gesellschaft der übrigen Inhaberaktien noch existiert. Melden Sie sich baldmöglichst bei der Gesellschaft und erkundigen Sie sich, ob die Inhaberaktien umgetauscht werden können oder ob und wann die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien durch die Generalversammlung beschlossen wird und die Aktien umgetauscht werden können.
  • Stellen Sie, sofern Ihre Aktien am 1. Mai 2021 von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt wurden, gegebenenfalls beim zuständigen Gericht Antrag auf Eintragung Ihrer Aktien im Aktienbuch.
  • Stellen Sie, sofern Ihre Aktien am 1. November 2024 von Gesetzes wegen nichtig wurden, gegebenenfalls bei der Gesellschaft Antrag auf Entschädigung Ihrer nichtig gewordenen Aktien. Achtung: Allfällige Entschädigungsansprüche gehen per 31. Oktober 2034 unter.

Für Verwaltungsräte:

  • Lassen Sie baldmöglichst an einer Generalversammlung die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien bzw. die entsprechende Statutenänderung beschliessen, in jedem Fall rechtzeitig vor dem 1. Mai 2021.
  • Veranlassen Sie die Aktualisierung des Aktienbuches und institutionalisieren Sie diese.
  • Kommt es am 1. Mai 2021 von Gesetzes wegen zur Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien, müssen an der nächsten Generalversammlung zwingend die Statuten entsprechend angepasst werden.
  • Nach Ablauf der Frist zur Beantragung der Eintragung im Aktienbuch beim Gericht bzw. dem Nichtigwerden der Aktien von Gesetzes wegen am 31. Oktober 2024 hat der Verwaltungsrat die Nichtigkeit der Aktien nicht gemeldeter Aktionäre festzustellen, das Aktienbuch und die Bücher der Gesellschaft anzupassen sowie über die Verwendung der eigenen Aktien zu entscheiden.
  • Bei der Verbuchung der eigenen Aktien sind die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften zu beachten.
  • Ab dem 1. November 2024 sind die von Aktionären geltend gemachten Entschädigungen für nichtig gewordene Aktien zu behandeln. Achtung: Entschädigungsansprüche gehen per 31. Oktober 2034 unter.

Gerne stehen wir Ihnen für allfällige weitere Auskünfte sowie die Vornahme aller notwendigen Rechtsvorkehren zur Verfügung.

Fussnoten

  1. Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum: a) Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Global Forum; b) Anleitung zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum; c) Botschaft zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum.

  2. Aktienbuch nach Artikel 686 Abs. 1–3 und 5 OR; Verzeichnis über die an Aktien wirtschaftlich berechtigten Personen nach Artikel 697l OR.

  3. Art. 327a StGB.

  4. Gemäss Auskunft des Staatssekretariates für internationale Finanzfragen SIF ist das Bundesgesetz zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum auf Inhaberaktien einer Gesellschaft, die infolge Fusion nicht mehr existiert, nicht anwendbar. Solche Inhaberaktien werden also nicht von Gesetzes wegen nichtig.

  5. Gesellschaftsrechtliche Umsetzung vgl. Praxismitteilung EHRA 1/15.

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