Privatrecht
Alfred Graber gräbt in seinem Land. Dabei stösst er auf eine fremde Leitung. Sie wird beschädigt oder muss verlegt werden. Wer bezahlt?
Herr Graber hat sich zur Duldung dieser Leitung persönlich – Juristen nennen dies «obligatorisch» – verpflichtet, sei es schriftlich, durch Unterzeichnung eines entsprechenden Planes oder gar nur mündlich. In diesem Fall geht die Reparatur zu seinen Lasten, soweit nichts anderes vereinbart ist. Dasselbe gilt auch für die Kosten der Verlegung.
Wenn er das Grundstück mit dieser Leitung erworben und keine entsprechende Verpflichtung übernommen hat, sieht es anders aus: So sollten Herrn Graber die Kosten für die Reparatur oder Verlegung erspart bleiben.
Wenn die Pflicht zur Duldung dieser Leitung auf dem Grundstück von Herrn Graber als Dienstbarkeit eingetragen ist, gilt sie auch ohne entsprechende Übernahme beim Kauf: Eine Dienstbarkeit wirkt in der Sprache von Juristen «dinglich» – sie klebt gleichsam an der Sache.
Herr Graber muss also die Kosten der Reparatur übernehmen. Verlegungskosten könnten ihm wiederum erspart bleiben: Das heutige ZGB schützt den Grundeigentümer in diesem Fall über einen Verweis auf das Nachbarrecht in Art. 742 Abs. 3 bzw. Art. 693 Abs. 2, der ihn – in der Regel – verschont.
Manchmal herrscht in diesen Fällen nicht das Privatrecht (OR/ZGB), sondern öffentliches Recht: Dieses kann die Leitung anders schützen, in der Regel mit einem Nutzungsplan (Strassenplan oder Überbauungsordnung etc.). Das könnte die Haftung von Herrn Graber wiederum ausdehnen auf Reparatur und Verlegung. Öffentliche Leitungen sind häufiger rechtlich ungeschützt als anzunehmen ist.
Nachfolgend ist nur noch vom Schutz der Leitungen durch Dienstbarkeiten (siehe oben) die Rede.
Das Grundstücksrecht bzw. ein Teil des ZGB ist in Teilrevision.[1] In den Medien ist vor allem die Rede vom papierlosen Schuldbrief und vom Bauhandwerkerpfandrecht. Daneben gibt es noch Themen, die praktisch unbeachtet «mitschwimmen», weil sie zwischen National- und Ständerat nicht mehr umstritten sind. Auch Änderungen bei den Dienstbarkeiten befinden sich darunter, und daraus beleuchtet der vorliegende Beitrag das Leitungsrecht.
Diese Neuerungen sind noch nicht Gesetz. Doch ist anzunehmen, dass sie es werden, und dies ist Grund genug, sie hier darzustellen. Gültig werden sie wohl frühestens 2011.
Bisher gilt im ZGB das Publizitätsprinzip ziemlich ausnahmslos: Danach ent- und besteht eine Dienstbarkeit für einen späteren und gutgläubigen Eigentümer nur, sofern sie «öffentlich» ist: Sie muss im öffentlichen Register, dem Grundbuch, eingetragen oder im Gelände sichtbar sein. Das ZGB umschreibt das in seiner berühmt klaren Art aus dem Jahr 1907 in Art. 676 Abs. 3 wie folgt: «Die Dienstbarkeit entsteht, wenn die Leitung nicht öffentlich wahrnehmbar ist, mit der Eintragung in das Grundbuch und in den andern Fällen mit der Erstellung der Leitung».
Neu soll in Art. 691 Abs. 3 angefügt werden: «… Das Durchleitungsrecht kann einem gutgläubigen Erwerber auch ohne Eintragung entgegengehalten werden.» Das ist zumindest dogmatisch eine Sensation:
Herr Graber hat aber auch Pech, wenn er neu eine «ganz normal» als Dienstbarkeit ausgestaltete und so im Grundbuch eingetragene Leitung «trifft»: Nach neuem Recht hat er für die Verlegungskosten aufzukommen, weil der ihn bis heute schützende Art. 742 Abs. 3 aufgehoben werden soll. Die Ausnahme von der Regel, wonach der Berechtigte die Verlegungskosten zu tragen hat, bleibt nur noch bei den sogenannten Notleitungen aus Nachbarrecht bestehen (ZGB Art. 693 Abs. 2).
Fussnoten
Vgl. für die Botschaft des Bundesrats BBl 2007, S. 5283ff, für den Stand der Beratungen www.parlament.ch und dort Geschäftsnummer 07.061.