Privatrecht
Der Bundesrat hält das Bauvertragsrecht für zweckmässig und ausgewogen. Gleichwohl hat er nach jahrelangem politischem Druck eine punktuelle Revision des Obligationenrechts (OR [1]) und des Zivilgesetzbuchs (ZGB [2]) initiiert. Die Neuerungen treten am 1. Januar 2026 in Kraft und stärken die Gewährleistungsrechte im Kauf- und Werkvertragsrecht markant. Damit verbessert sich die Rechtsstellung von Bauherrschaften sowie von Käuferinnen und Käufern bei Baumängeln erheblich.
Anlass der Gesetzesrevision war die unbefriedigende Rechtslage für die Bauherrschaft. In der Praxis führten «Sofort-Rüge»-Klauseln häufig zum Verlust von Gewährleistungsrechten bei Mängeln, weil formelle Rügevoraussetzungen nicht eingehalten wurden. Unternehmer konnten zudem das unentgeltliche Nachbesserungsrecht vertraglich vollständig ausschliessen, sodass Bestellende und Käuferinnen und Käufer faktisch ohne wirksame Durchsetzungsmöglichkeit blieben. Auch fehlten in Art. 839 Abs. 3 ZGB klare Mindestanforderungen an die Zinsdeckung von Ersatzsicherheiten.
Mehrere parlamentarische Vorstösse nahmen den in der Praxis geäusserten Unmut auf und forderten den Bundesrat zum Handeln auf. 2020 legte der Bundesrat einen Vorentwurf vor und eröffnete die Vernehmlassung.[3] Die Revision zielt darauf ab, die Rechte bei Baumängeln von Bauherrschaften sowie von Käuferinnen und Käufern neu erstellter Bauten spürbar zu stärken. Der Nationalrat schlug dabei teils weitergehende Massnahmen vor als vom Bundesrat beantragt, was im Ständerat wieder korrigiert wurde. Rechtsanwalt Olivier Glättli hat mit den Beiträgen vom Juni 2021[4] und Juli 2023[5] zusammen mit Rechtsanwalt Adrian Schwaller über die jeweiligen gesetzgeberischen Schritte berichtet. Am 20. Dezember 2024 hat die Bundesversammlung das Gesamtpaket verabschiedet.[6]
Die Revision betrifft fixe Rüge- und Verjährungsfristen, zwingende Nachbesserungsrechte, die Ausweitung gewisser Regeln auf Kaufverträge mit Bauverpflichtung und eine Klarstellung der Ersatzsicherheitspflicht beim Bauhandwerkerpfandrecht. Mit den neuen Bestimmungen werden Bauherrschaften und Käuferschaft künftig besser geschützt und bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigt. Nachfolgend werden die einzelnen Bestimmungen im Detail erläutert.
Ein zentraler Aspekt der Gesetzesrevision ist die Abkehr von der «Sofort-Rüge» bei nach Abnahme entdeckten Mängeln. Das OR sieht heute vor, dass ein Mangel an einem Werk, der nach der Abnahme entdeckt wird, sofort gerügt werden muss. Widrigenfalls gilt das Werk gemäss Art. 370 Abs. 3 OR auch in Bezug auf diese Mängel als genehmigt. Neu gilt für unbewegliche Werke eine zwingende Rügefrist von mindestens
60 Tagen ab Abnahme oder ab Entdeckung eines verdeckten Mangels.[7] Das Gleiche gilt auch bei Mängeln eines beweglichen Werkes, welches bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert wird, sowie bei Mängeln eines Werkes, das von einem Architekten oder Ingenieur erstellt und bestimmungsgemäss als Grundlage für die Erstellung eines unbeweglichen Werkes verwendet wird, sofern diese Mängel die Mangelhaftigkeit eines unbeweglichen Werks verursacht haben.[8] Diese neue Frist ist insofern zwingend, als nur eine Verlängerung, nicht jedoch eine Verkürzung vertraglich vereinbart werden kann.
Die Verlängerung der Rügefrist bringt eine klare Entlastung für Bauherrschaften. Die bisherige, in der Praxis unbefriedigende Situation einer vollständigen Verwirkung aller Mängelrechte bei einer nicht sofortigen Rüge fällt weg.
Unberührt von der Revision bleibt die Sofort-Rüge-Obliegenheit für bewegliche Werke. Ebenso bestehen die Prüfpflicht der Bauherrschaft nach dem üblichen Geschäftsgang und die Verantwortung des Bestellers für Verzögerungsschäden bei zu später Mängelrüge fort. Mängel, die weitere Schäden nach sich ziehen oder deren Behebung später erschwert ist, sind auch künftig so bald als möglich zu rügen.
Bereits heute besteht eine fünfjährige Verjährungsfrist im Zusammenhang mit den Mängelrechten von unbeweglichen Werken gegen den Unternehmer sowie gegen Architekten oder Ingenieure, die zum Zwecke der Erstellung Dienste geleistet haben (Art. 371 Abs. 2 OR). Gleiches gilt für Mängelrechte an beweglichen Werken, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert werden und dessen Mangelhaftigkeit verursachen (Art. 371 Abs. 1 OR). Neu darf diese fünfjährige Verjährungsfrist nicht mehr vertraglich verkürzt werden.[9] Verjährungsklauseln unter fünf Jahren sind folglich aus Normverträgen zu streichen.
Der Besteller kann dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nachbesserung ansetzen oder ansetzen lassen, mit der Androhung, dass im Unterlassungsfall die Verbesserung des Werkes auf Gefahr und Kosten des Unternehmers einem Dritten übertragen werde. Neu ist ab dem 1. Januar 2026 das Nachbesserungsrecht bei Mängeln an einer Baute zwingend und kann nicht mehr im Voraus beschränkt oder ausgeschlossen werden.[10] In Bauwerkverträgen ist die unentgeltliche Nachbesserung somit zwingend geschuldet. Vertragliche Begrenzungen der Nachbesserungspflichten sind künftig unzulässig.
Mit der Revision wird die Rügefrist von mindestens 60 Tagen[11] auf Grundstückkaufverträge ausgedehnt[12] – die bisherige Pflicht zur Sofort-Rüge im dispositiven Gesetzesrecht fällt ebenfalls weg.
Gleichzeitig erhält die Käuferschaft von Grundstücken mit neu errichteten Bauten oder Bauten, die bis zu zwei Jahre vor dem Verkauf errichtet wurden, neu ein zwingendes, unentgeltliches Nachbesserungsrecht gegenüber der Verkäuferschaft. Dieses Nachbesserungsrecht untersteht den Regeln des Werkvertragsrechts und kann vertraglich nicht vorab beschränkt oder ausgeschlossen werden.[13] Die 60-Tage-Rügefrist gilt zudem neu auch für den Kauf beweglicher Sachen, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert worden sind und die Mangelhaftigkeit des unbeweglichen Werkes verursacht haben.[14]
Zur Löschung einer provisorischen oder zur Abwehr einer definitiven Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts kann die Bauherrschaft eine hinreichende Sicherheit leisten. Während die Rechtsprechung bisher Sicherheiten mit befristeter Verzugszinsdeckung als «nicht hinreichend» einstufte, schafft Art. 839 Abs. 3 revZGB nun Klarheit: Die Verzugszinsen sind für zehn Jahre sicherzustellen.
In Bauwerkverträgen vereinbaren die Parteien in der Praxis häufig ausdrücklich oder stillschweigend die SIA-Norm 118. Diese sieht vor, dass offene Mängel während zwei Jahren nach Abnahme jederzeit gerügt werden können. Die neue gesetzliche Rügefrist von 60 Tagen ist damit durch Art. 172 SIA 118 weiterhin gedeckt. Da die SIA-Bestimmung auch nach der Revision weiter reicht als das Gesetz, kann sie weiterhin rechtsgültig vereinbart werden und erweist sich in diesem Punkt immer noch bauherrenfreundlicher.
Art. 179 von SIA 118 schreibt für nach Ablauf von zwei Jahren neu entdeckte Mängel eine unverzügliche Rüge vor. Mit der Revision gilt jedoch zwingend eine 60-tägige Rügefrist, die vertraglich nicht verkürzt werden darf. Hier besteht zukünftiger Regelungsbedarf hinsichtlich der Anwendung dieser Norm. Die SIA-Norm 118 kann im Übrigen weiterhin vereinbart werden. Mit anderen Worten können geheime Mängel, die erst nach zwei Jahren nach der Abnahme entdeckt werden, innert 60 Tagen (und nicht zwingend unverzüglich) gerügt werden.
Für laufende Projekte mit Verträgen, die vor dem 1. Januar 2026 geschlossen wurden, gelten – abgesehen von der zwingenden Verjährungsfrist – weiterhin die bisherigen Regeln, es sei denn, die Verträge verweisen ausdrücklich auf das neue Recht oder werden nachträglich angepasst. Somit gilt etwa bei Verträgen, die unter aktuellem Recht geschlossen wurden, nach Inkrafttreten des neuen Rechts weiterhin die Pflicht zur sofortigen Rüge. Für Ausschreibungen und Planungsaufträge im Jahr 2025 ist eine vorgängige Ausrichtung auf das neue Recht ratsam, um spätere Konflikte zu vermeiden.
Die Gesetzesrevision verbessert die Rechtslage bei Baumängeln für Bauherrschaften und Käuferschaft deutlich. Die Neuerungen erhöhen die Rechtssicherheit und sorgen für ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Vertragsparteien im Immobilien- und Baubereich. Betroffene Parteien sind gut beraten, sich frühzeitig mit den neuen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Die Juristinnen und Juristen von Lemann, Walz & Partner beraten Sie gerne zu den neuen Bestimmungen und deren Auswirkungen auf ihre Bau- und Immobilienprojekte.
Fussnoten
Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
(Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (SR 220)
Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. März 1907 (SR 210)
Medienmitteilung des Bundesrates vom 19. August 2020
www.lw-p.ch/de/rechtsthemen/revision-des-werkvertragsrechts
www.lw-p.ch/de/rechtsthemen/update-zur-revision-des-werkvertragsrechts
AS 2025 270; BBl 2025 18
vgl. Art. 367 Abs. 1bis S. 1 revOR; Art. 370 Abs. 4 revOR
vgl. Art. 367 Abs. 1bis Satz 2 revOR und Art. 367 Abs. 4 Satz 3 revOR
vgl. Art. 371 Abs. 3 revOR
vgl. Art. 368 Abs. 2bis revOR
vgl. Art. 367 Abs. 1bis revOR
vgl. Art. 219a Abs. 1 revOR
vgl. Art. 219 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 368 Abs. 2bis revOR
vgl. Art. 201 Abs. 4 revOR