Öffentliches Recht
Je nach Betroffenheit werden Planungs- und insbesondere Verdichtungsmassnahmen im Siedlungsgebiet und die damit verbundenen Folgen unterschiedlich empfunden. Wie bei jedem Eingriff in das Eigentum, können die mit den Planungsmassnahmen verbundenen Beschränkungen zu Frustrationen bei den Betroffenen führen. Damit Planen und Verdichten in Siedlungsgebieten nicht zur Krux wird, ist vorsorgliches Handeln angezeigt.
Am 1.1.1980 trat das heute geltende Raumplanungsgesetz (RPG)[1] in Kraft. Davor bestanden in den Kantonen und Gemeinden sowie privat mannigfache Bauvorschriften, die die Bebauung des Siedlungsgebietes regelten und beeinflussten.
Gemäss RPG setzt der Bund die Grundsätze der Raumplanung fest. Die Raumplanung selbst obliegt dann den Kantonen und dient der zweckmässigen und haushälterischen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes. Der Bund fördert und koordiniert die Bestrebungen der Kantone. Mit dem RPG wurde das Instrument des kantonalen Richtplans eingeführt, dies als zentrales Steuerungsinstrument der Kantone.[2] Hauptaufgabe des Richtplans ist die Abstimmung aller raumwirksamen Tätigkeiten im Hinblick auf die anzustrebende Entwicklung. Die kantonalen Richtpläne sind vom Bundesrat zu genehmigen.
Ziel der 1. Etappe der Revision des RPG[3] (in Kraft seit 1.5.2014) war es, die weitere Ausdehnung der bebauten Fläche zu stoppen und die Siedlungen unter Berücksichtigung einer angemessenen Wohnqualität nach innen zu entwickeln sowie brachliegende oder ungenügend genutzte Flächen in Bauzonen besser bedarfsgerecht zu erschliessen, zu nutzen und zu verdichten. Dabei erhielten die kantonalen Richtpläne bei der Steuerung der Siedlungsentwicklung und Bauzonendimensionierung eine noch grössere Bedeutung.[4] Die Kantone wurden verpflichtet, einen angemessenen Ausgleich für erhebliche Vor- und Nachteile, die durch Planungen entstehen (Mehrwertabgabe), zu regeln, dies mit diesbezüglichen Vorgaben.[5]
Bei der aktuellen 2. Etappe der Revision des RPG (tritt voraussichtlich im Verlauf des Jahres 2026 in Kraft) steht das Bauen ausserhalb der Bauzone im Zentrum. Ziel ist es, die Anzahl der Gebäude und die versiegelten Flächen im Nichtbaugebiet zu stabilisieren. Die Kantone haben ihre Richtpläne innert fünf Jahren entsprechend anzupassen. Mit dem sogenannten Gebietsansatz können die Kantone gestützt auf eine räumliche Gesamtkonzeption unter gewissen Bedingungen sogar Mehrnutzungen zulassen. Sind keine Polizeigüter gefährdet, verwirkt der Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausserhalb der Bauzone (in Abkehr von der bisherigen diesbezüglichen Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichtes) neu nach 30 Jahren. Zur Erreichung des Stabilisierungsziels können neu beim Abbruch von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone Abbruchprämien bezahlt werden.[6] Die Erhebung von Mehrwertabgaben ist nur noch bei Neueinzonungen bundesrechtlich vorgeschrieben; bei Um- und Aufzonungen liegt die Erhebung in der Autonomie der Kantone.[7]
Bereits im Jahr 2008 schuf der Kanton Bern die gesetzliche Grundlage für die Einführung von Regionalkonferenzen, dies mit dem Ziel einer verbindlichen regionalen Zusammenarbeit der Gemeinden u.a. in der regionalen Richt-, Gesamtverkehrs- und Siedlungsplanung sowie von deren gegenseitigen Abstimmung.[8]
Der Erfolg der Raumplanung in der Schweiz ist durchzogen. Ob mit der Raumplanung das Ziel einer zweckmässigen und haushälterischen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes erreicht wurde, ist Ansichtssache. Angetrieben durch das Bevölkerungswachstum, den steigenden Bedarf an Wohn-, Gewerbe- und Infrastrukturflächen sowie durch veränderte Lebensgewohnheiten wurde die Raumplanung zur rollenden Planung und alle Betroffenen damit gefordert.
Die mit der 1. Etappe der Revision des RPG angestrebte Verdichtung im bestehenden Siedlungsgebiet erwies sich, bzw. erweist sich nach wie vor als schwierig. Die Umsetzung der Innenentwicklung dauert länger als erwartet.[9] Öffentlich- und privatrechtliche Hindernisse verhindern des Öftern eine Verdichtung. Zudem führt eine Verdichtung des Siedlungsgebietes auch zu Nachteilen bei davon Betroffenen und entsprechendem Widerstand.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Planungsmassnahmen dann die grössten Chancen haben, umgesetzt zu werden, wenn die Planungsbehörden und Betroffenen die Zusammenarbeit suchen, das Projekt eine hohe Qualität ausweist und möglichst für alle Betroffenen ein Mehrwert resultiert.
Ob mit der 2. Etappe der Revision des RPG deren Ziele erreicht werden, bleibt abzuwarten. Nicht geändert hat sich, dass es bei der Raumplanung, insbesondere beim Verdichten des Siedlungsgebietes, zahlreiche Hindernisse zu berücksichtigen gibt.
Restriktive Planungs- und Bauvorschriften, insbesondere öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen (ÖREB)[10], schränken das Planen und Bauen bzw. die Verdichtung im Siedlungsgebiet erheblich ein. Dazu kommt, dass Planungs- und Baubewilligungsverfahren und die daran anschliessenden Rechtsmittelverfahren aufgrund der Komplexität der Materien und der Überbelastung der involvierten Behörden heute unverhältnismässig lange dauern. So müssen im Kanton Bern planungs- und bauwillige Investoren für den Erlass einer Überbauungsordnung mit einer Dauer von fünf und mehr Jahren rechnen. Muss im Baubewilligungsverfahren der kantonale Instanzenzug durchlaufen werden, muss mit drei und mehr Jahren gerechnet werden. Im Rahmen der Planungs- und Baubewilligungsverfahren sind zahlreiche Fachbehörden anzuhören; sich vernehmende Interessengruppen wollen ihre Anliegen umgesetzt sehen. Nicht selten kommt es zudem vor, dass sich involvierte Behörden um das Gebot der Verdichtung drücken, um sich unliebsame, langwierige Diskussionen mit Betroffenen zu ersparen.
Allein schon das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) schränkt mit diversen Bestimmungen wie im Nachbarrecht die Baufreiheit ein. Dazu kommen Beschränkungen durch privatrechtliche Verträge, insbesondere durch planungs- und baurechtlich einschränkende Dienstbarkeiten. So finden sich manche Siedlungsgebiete, in denen das Bauen mittels Bau- und anderer Nutzungsbeschränkungsdienstbarkeiten zugunsten von Nachbargrundstücken, der öffentlichen Hand oder Dritten erheblich eingeschränkt ist. Lasten solche Dienstbarkeiten auf einem zu bebauenden Grundstück, können diese ein erhebliches Planungshindernis darstellen.
Inhalt, Umfang und Löschung von Dienstbarkeiten Gemäss Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichtes[11] gibt Art. 738 ZGB für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit eine Stufenordnung vor. Ergeben sich die Rechte und Pflichten deutlich aus dem Grundbucheintrag, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. Soweit jedoch der Wortlaut unklar ist, darf im Rahmen des Eintrags auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden, der nach den obligationenrechtlichen Regeln auszulegen ist. Vorbehaltlos gilt dies jedoch nur zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien. Im Verhältnis zu Dritten, die an der Errichtung der Dienstbarkeit nicht beteiligt waren und im Vertrauen auf das Grundbuch dingliche Rechte erworben haben, können persönliche Umstände und Motive, die für die Willensbildung der ursprünglichen Vertragsparteien bestimmend waren, aber aus dem Dienstbarkeitsvertrag selbst nicht hervorgehen und für einen unbeteiligten Dritten normalerweise auch nicht erkennbar sind, nicht berücksichtigt werden.
Die Löschung einer Dienstbarkeit kann nur verlangt werden, wenn die Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück jedes Interesse und jeden Nutzen verloren hat.[12] Dabei ist vom Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit auszugehen, wonach eine Dienstbarkeit nicht zu einem anderen Zweck aufrechterhalten werden darf als jenem, zu dem sie errichtet worden ist. Liegt ein qualifiziertes Missverhältnis zwischen dem Interesse des herrschenden Grundstücks und der Belastung des dienenden Grundstücks vor, ist eine Ablösung der Dienstbarkeit möglich.
Fussnoten
700 Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG), mit 700.1 Raumplanungsverordnung (RPV).
www.raumplanung.dij.be.ch/de/start/kantonaler-richtplan.html
www.are.admin.ch/are/de/home/raumentwicklung-und-raumplanung/raumplanungsrecht/revision-des-raumplanungsgesetzesrpg-/rpg1.html
www.are.admin.ch/are/de/home/raumentwicklung-und-raumplanung/raumplanungsrecht/revision-des-raumplanungsgesetzesrpg-/umsetzung.html
www.are.admin.ch/are/de/home/raumentwicklung-und-raumplanung/raumplanungsrecht/revision-des-raumplanungsgesetzesrpg-/umsetzung/mehrwertabgabe.html
www.are.admin.ch/are/de/home/raumentwicklung-und-raumplanung/raumplanungsrecht/revision-des-raumplanungsgesetzesrpg-/rpg2.html
Reaktion auf BGE 147 I 225 und BGE 1C_233/2021
www.gemeinden.dij.be.ch/de/start/gemeindereformen/organisation-und-zusammenarbeit/regionalkonferenzen.html
www.news.admin.ch/de/nsb?id=101333
www.swisstopo.admin.ch/de/oereb-kataster, www.agi.dij.be.ch/de/start/kataster/oereb-kataster.html
BGE 5A_85/2024
BGE 5A_395/2024