Strassen im Kanton Bern und damit verbundene Recht...
Seitenbeginn

Öffentliches Recht

Strassen im Kanton Bern und damit verbundene Rechtsfragen

Tagtäglich bewegen wir uns auf dem öffentlichen Strassennetz. Dabei stellen wir uns nur selten die Frage, wem diese Strasse gehört, wer sie zu unterhalten hat und wer bspw. Verkehrsanordnungen treffen darf. Der nachfolgende Artikel gibt eine Übersicht über die Rechtsgrundlagen im Kanton Bern.

Das Strassennetz des Bundes, der Kantone und der Gemeinden

Bund, Kantone und Gemeinden teilen sich die Zuständigkeiten für die Strasseninfrastruktur. Dieser Grundsatz ist in Art. 83 Abs. 1 der Bundesverfassung verankert: "Bund und Kantone sorgen für eine ausreichende Strasseninfrastruktur in allen Landesgegenden".

Der Bau und der Unterhalt des Nationalstrassennetzes ist dem Bund vorbehalten (Art. 83 Abs. 2 BV). Im Weiteren wird zwischen Kantons- und Gemeindestrassen unterschieden. Kantonsstrassen dienen dem überregionalen und regionalen Verkehr (Art. 7 Abs. 1 SG). Gemeindestrassen dienen vorwiegend dem Verkehr innerhalb einer Gemeinde, erschliessen die Baugebiete, stellen die Verbindung zu den Kantonsstrassen her und dienen dem lokalen Verkehr zwischen benachbarten Gemeinden (Art. 8 Abs. 1 SG).

Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Strassen

Öffentliche Strassen stehen in aller Regel im Eigentum des Gemeinwesens, d.h. des Bundes, der Kantone oder der Gemeinden. Beim Bau der Strassen erwerben die Gemeinwesen häufig Grundeigentum und dürfen hierfür auch von ihrem Enteignungsrecht Gebrauch machen. In der Regel werden neue Strassen oder Strassenerweiterungen mittels Strassenplan publiziert.

Es gibt jedoch auch Strassen, welche auf privatem Boden liegen, jedoch dem Gemeingebrauch gewidmet sind. Diese Privatstrassen im Gemeingebrauch gehören ebenfalls zum öffentlichen Strassennetz des Kantons Bern (Art. 9 Abs. 1 SG). Eine der nachfolgenden Widmungstatbestände muss jedoch erfüllt sein: Verfügung der Gemeinde, Errichtung einer Wegrechtsdienstbarkeit zugunsten der Öffentlichkeit oder Übertragung der Unterhaltspflicht an das Gemeinwesen (Art. 13 Abs. 3 SG). Ist keiner der vorstehenden Widmungstatbestände gegeben, sind Strassen auf privatem Boden reine Privatstrassen und unterliegen nicht der Strassenhoheit der Gemeinwesen.

Die Abgrenzung zwischen Privatstrasse und öffentlicher Strasse ist von entscheidender Bedeutung. Von dieser Frage leiten sich die unterschiedlichen Rechtsfolgen im Zusammenhang mit dem Unterhalt, der Signalisationshoheit sowie den baulichen Strassenabständen ab.

Bau und Unterhalt der Strassennetze

Der Bau und der Unterhalt von Strassen obliegen grundsätzlich dem verantwortlichen Gemeinwesen, d.h. den Gemeinden für Gemeindestrassen und dem Kanton für die Kantonsstrassen. Der Betrieb und der Unterhalt von Privatstrassen im Gemeingebrauch bleiben grundsätzlich bei den betroffenen Grundeigentümerinnen oder Grundeigentümer, soweit dafür nicht die Gemeinde oder der Kanton zuständig ist (Art. 42 Abs. 1 SG).

Gemeinden können interessierten Grundeigentümern vertraglich die Planung und Erstellung von öffentlichen Erschliessungsanlagen überbinden (Art. 109 Abs. 1 BauG). Hierfür wird in der Regel ein Erschliessungs- oder Infrastrukturvertrag abgeschlossen, in welchem auch die Kostenverteilung geregelt ist. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten gehen die Anlagen von Gesetzes wegen an die Gemeinde zu Eigentum und Unterhalt über (Art. 109 Abs. 2 BauG).

Signale und Markierungen

Verkehrsanordnungen für Kantonsstrassen und Strassen im Bereich von Verzweigungen mit Kantonsstrassen obliegen dem Kanton. Die Gemeinde verfügt demgegenüber Verkehrsanordnungen für alle übrigen öffentlichen Strassen sowie für alle öffentlichen Verkehrsflächen privater Eigentümerinnen und Eigentümer (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 2 SG). Diese Zuständigkeiten gelten auch für das Anbringen von Signalen und Markierungen (Art. 66 Abs. 3 SG).

Die Signalisationshoheit der Gemeinwesen besteht lediglich auf dem öffentlichen Strassenverkehrsnetz und bei den entsprechenden Zufahrten auf dasselbe (Art. 44 Abs. 1 SV). Sie fehlt aber auf reinen Privatstrassen, es sei denn, die Privatstrasse stehe einem unbestimmten Personenkreis offen (vgl. Art. 44 Abs. 1 lit. b SV; BGE 104 IV 105 E. 4 S. 109). Bussen bei Widerhandlungen können jedoch lediglich bei rechtmässig und von der zuständigen Behörde verfügten (öffentlich-rechtlichen) Verkehrssignalen auferlegt werden. Bei privaten Verkehrssignalen ist eine Ahndung nur auf entsprechende Strafanzeige möglich, wenn das Grundstück mit einem entsprechenden gerichtlichen Verbot (Art. 258 ff. ZPO) belegt ist.

Strassenabstand

Die Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Strassen ist weiter für die bauliche Gestaltung des Strassenraums entscheidend. Ab Kantonsstrassen gilt ein Bauabstand von 5 m ab Fahrbahnrand. Für Gemeindestrassen, Privatstrasse in Gemeingebrauch sowie an selbstständigen Fuss- und Radwegen einen solchen von 3.6 m. Das zuständige Gemeinwesen kann in Nutzungsplänen andere Strassenabstände vorschreiben (sog. Strassenbaulinien, vgl. Art. 80 Abs. 1 SG).

Bei reinen Privatstrassen gelten die vorstehenden Strassenabstände nicht. Hier kann daher grundsätzlich bis an den Strassenrand gebaut werden. Vorbehalten bleiben anderweitige Bauabstandsvorschriften wie Grenz- oder Gebäudeabstände.

Fazit

Die Rechtsgrundlagen betreffend das öffentliche und private Strassennetz sind vielfältig. Insbesondere die Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Strassen haben weitreichende Folgen und führen nicht selten zu juristischen Auseinandersetzungen. Dies soll den Fahrgenuss jedoch nicht weiter trüben. Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Fahrt auf unserem Strassennetz.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 04/2020 veröffentlicht.

Artikel teilen

Share