Privatrecht
Am 19. Dezember 2008 hat die Bundesversammlung die dritte Abteilung des zweiten Teils des Zivilgesetzbuchs (ZGB) über «Die Vormundschaft» vollständig revidiert; der Bundesrat hat das neue Recht – betitelt mit «Der Erwachsenenschutz » – auf den 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt.
Das neue Erwachsenenschutzrecht will mit massgeschneiderten Bestimmungen sicherstellen, dass nur so viel staatliche Betreuung wie nötig erfolgt. Es will somit das Selbstbestimmungsrecht fördern und stellt dazu unter anderem zwei neue Instrumente zur Verfügung, welche nachfolgend kurz dargestellt werden.
Mit einem Vorsorgeauftrag kann eine handlungsfähige Person ihre Betreuung und rechtliche Vertretung im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit regeln; mit einer Patientenverfügung kann sie festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt, oder eine Person bestimmen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit entscheidungsbefugt ist.
Der Vorsorgeauftrag ist eigenhändig zu errichten oder notariell zu beurkunden. Der eigenhändige Vorsorgeauftrag ist – wie das eigenhändige Testament – von der auftraggebenden Person vollständig von Hand niederzuschreiben, zu datieren und zu unterzeichnen. Die Zivilstandsämter tragen auf Antrag die Tatsache, dass eine Person einen Vorsorgeauftrag errichtet hat, zusammen mit dem Hinterlegungsort in die zentrale Datenbank ein. Die auftraggebende Person muss die Aufgaben, die sie der beauftragten Person übertragen will, umschreiben und sie kann Weisungen für die Erfüllung der Aufgaben erteilen. Die beauftragte Person ist nicht gezwungen, den Vorsorgeauftrag anzunehmen: Sie kann ihn jederzeit mit einer zweimonatigen Kündigungsfrist – oder aus wichtigen Gründen sogar fristlos – schriftlich gegenüber der zuständigen Erwachsenenschutzbehörde (heute noch die am Wohnsitz der auftraggebenden Person zuständige Vormundschaftsverwaltung) kündigen. Ein Vorsorgeauftrag wird erst mit Eintritt der Urteilsunfähigkeit der auftraggebenden Person wirksam und erlischt mit Wiedereintritt der Urteilsfähigkeit von Gesetzes wegen.
Mit einer Patientenverfügung kann eine urteilsfähige Person festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt; sie kann auch eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit den behandelnden Ärzten die medizinischen Massnahmen besprechen und in ihrem Namen entscheiden soll. Für den Fall, dass die bezeichnete Person für die Aufgaben nicht geeignet ist, den Auftrag nicht annimmt oder ihn kündigt, kann die auftraggebende Person Ersatzverfügungen treffen. Eine Patientenverfügung ist schriftlich (also nicht zwingend eigenhändig) zu errichten, zu datieren und zu unterschreiben. Die Ärzte haben einer Patientenverfügung zu entsprechen, ausser wenn diese gegen gesetzliche Vorschriften verstösst oder wenn begründete Zweifel bestehen, dass sie auf freiem Willen beruht oder noch dem mutmasslichen Willen des Patienten entspricht. Jede dem Patienten nahestehende Person kann schriftlich die zuständige Erwachsenenschutzbehörde anrufen und unter anderem geltend machen, dass der Patientenverfügung nicht entsprochen wird, die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind, oder die Patientenverfügung nicht auf freiem Willen beruht.
Behördliche Massnahmen kommen zum Einsatz, wenn die Unterstützung einer hilfsbedürftigen Person durch Familie, nahestehende Personen oder private/öffentliche Dienste nicht ausreicht oder von vornherein als ungenügend erscheint, sowie wenn bei Urteilsunfähigkeit der hilfsbedürftigen Person keine oder keine ausreichende eigene Vorsorge getroffen worden ist und die Massnahmen von Gesetzes wegen nicht genügen. Die Erwachsenenschutzbehörde errichtet künftig eine Beistandschaft, wenn eine volljährige Person wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung oder eines ähnlichen in der Person liegenden Schwächezustands ihre Angelegenheiten nur teilweise oder gar nicht besorgen kann, oder wenn eine volljährige Person wegen vorübergehender Urteilsunfähigkeit oder Abwesenheit in Angelegenheiten, die erledigt werden müssen, weder selbst handeln kann, noch eine zur Stellvertretung berechtigte Person bezeichnet hat. Eine Beistandschaft wird auf Antrag des Betroffenen oder auf Antrag einer dem Betroffenen nahestehenden Person oder von Amtes wegen errichtet. Es wird künftig unterschieden zwischen einer Begleitbeistandschaft, welche die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht einschränkt, einer Vertretungsbeistandschaft, welche die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person einschränken kann, einer Mitwirkungsbeistandschaft, welche die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person von Gesetzes wegen für bestimmte Handlungen einschränkt sowie einer «umfassenden Beistandschaft», die errichtet wird, wenn eine Person namentlich wegen dauernder Urteilsunfähigkeit besonders hilfsbedürftig ist und welche die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person von Gesetzes wegen aufhebt.
Ehegatten und eingetragenen Partnern kommt von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht zu, wenn für die betroffene Person weder ein Vorsorgeauftrag noch eine entsprechende Beistandschaft besteht.
Fazit: Die neuen Gesetzesbestimmungen dürften die heutige Rechtsunsicherheit bezüglich der Tragweite von Patientenverfügungen und der Gültigkeit von Vorsorgevollmachten ausserhalb des medizinischen Bereichs beseitigen; sie bieten die Möglichkeit, rechtliche Fragen bei Urteilsunfähigkeit, Hilfsbedürftigkeit oder bei schwerer Krankheit eines Menschen zu lösen.