Die Wertpapiere
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Handels- und Gesellschaftsrecht

Die Wertpapiere

Genussscheine sind Wertpapiere; ob Wertpapiere immer Genuss bieten, ist – spätestens nach der jüngsten Finanzkrise – nicht sicher …

Das Recht über die Wertpapiere ist im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) geregelt; es wird ergänzt durch viele Einzelvorschriften im OR selbst, im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB), aber auch in Spezialerlassen (z.B. im Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag).

Wertpapiere sind Schuldurkunden, nicht jede Schuldurkunde ist indessen ein Wertpapier. Eine Schuldurkunde wird – wie das Wort bereits aussagt – durch eine Urkunde verkörpert. Urkundenstoff muss nicht notwendigerweise Papier sein; Anwendung findet jedes Material, auf dem sich eine Erklärung anbringen lässt. Elektronische oder optische Datenträger wie Mikrofilm und Disketten können Urkunden sein, wenn die Unterschrift für die entsprechende Schuldurkunde nicht Gültigkeitserfordernis ist. Eine Urkunde wird zur Schuldurkunde, wenn sie ein Recht verbrieft. Eine Schuldurkunde enthält die Anerkennung einer bestehenden oder durch die Urkunde selbst begründeten Schuld oder eines Mitgliedschaftsverhältnisses. Schuldurkunden können auch Sachleistungen verbriefen (Depot-, Lager- und Frachturkunden sowie Fahr-, Zutritts- und Bezugsausweise).

Das Ausstellen einer Schuldurkunde bedeutet das Anerkennen einer Schuld und unterbricht die Verjährung; es beginnt eine neue Verjährungsfrist von zehn Jahren.

Wertpapier ist jede Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere Personen übertragen werden kann (Art. 965 OR). Das wesentliche Merkmal der Wertpapiere gegenüber anderen Schuldurkunden ist somit das Recht des Schuldners, ohne Vorweisung der Urkunde die verbriefte Schuldpflicht nicht erfüllen zu müssen. Dieser Grundsatz gilt nicht absolut und wird insbesondere bei Verlust des Wertpapiers mittels der nachfolgenden Kraftloserklärung durchbrochen.

Wertpapiere müssen eine schuldrechtliche Beziehung privatrechtlicher Natur verbriefen; soweit Urkunden einen öffentlich-rechtlichen Anspruch beinhalten (wie Briefmarken und Gebührenmarken) sind sie keine Wertpapiere. Wertpapiere sind somit Forderungspapiere wie der Wechsel, der Check, die Kassenobligation, die Anleihensobligation, das Lotterielos und der Anlagefondsanteilschein, sachenrechtliche Papiere wie der Schuldbrief und die (im Kanton Bern unbekannte) Gült sowie Mitgliedschaftspapiere wie die Aktie, der Partizipationsschein und der Genussschein.

Keine Wertpapiere sind der Darlehensschuldschein, der Depotschein, die Anteilscheine einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und einer Genossenschaft, Kreditkarten, Bargeldautomatenkarten, «WIR»-Checks und Banknoten. Banknoten sind keine Wertpapiere, da sie an und für sich Geld sind und keinen Anspruch auf Geld (oder wie früher auf Gold) verbriefen; mit dem Verlust einer Banknote geht auch der Anspruch auf Ersatz des damit verbundenen Werts endgültig verloren.

Einen Sonderfall bilden Karten und Marken des täglichen Verkehrs wie Eintrittskarten zu einer Veranstaltung, Bahnbilletts, Reparaturscheine, Gepäckempfangsscheine, Parking-Tickets usw., welche in der Regel keine Wertpapiere sondern nur Beweisurkunden sind.

Mit der Qualifikation einer Urkunde als Wertpapier ist keine Gewährleistung irgendwelcher Art über deren Werthaltigkeit verbunden. Verbrieft ist lediglich der Anspruch auf die damit verbundene Forderung, Sache oder Mitgliedschaft, nicht jedoch eine Sicherheit auf dessen Erfüllung: man denke an die täglich wechselnden Börsenkurse von Aktien, Obligationen und Anlagefondsanteilscheinen, an die Wertschwankungen von Grundstücken, welche sich spätestens bei deren Zwangsversteigerung offenbaren, und an den

Untergang der Hoffnung auf das grosse Losglück, wenn die Losnummer nicht der gezogenen Zahl entspricht.

Wer Näheres über die Aktie als Wertpapier und deren Verwendung zur Finanzierung von Investitionen oder zur Spekulation erfahren möchte, sei an das Wertpapiermuseum in Olten erinnert, wo unter anderem «Wertpapiere» für den Erwerb von Eigentum im Staat Poyais in Honduras, welcher indessen weder besteht noch je bestanden hat, zu sehen sind: «Wertpapiere», mit denen Dutzende von Personen verführt und zum Totalverlust geführt worden sind (Bernard L. Madoff und Konsorten lassen grüssen).

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