Fusion und Parteiwechsel in der neuen Schweizerisc...
Seitenbeginn

Privatrecht

Fusion und Parteiwechsel in der neuen Schweizerischen Zivilprozessordung ZPO

Prozessrecht ist formelles Recht. Es kommt also noch mehr als im sonstigen Rechtsleben auf Fristen, Zuständigkeit, richtiges Geltendmachen und vieles mehr an. Das gilt für alle Arten von Verfahrensrecht, also für das Strafrecht, das Verwaltungsrecht und insbesondere auch für das Zivilrecht. Anfang 2011 tritt die neue Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO in Kraft. Nachfolgend werden die Fusion und weitere Parteiwechsel beleuchtet.

Die kantonale Vielfalt beschränkt sich im Wesentlichen nur noch, aber immerhin – und selbstverständlich im Rahmen der Vorgaben des Bundes – auf die Gerichtsorganisation (wer ist wo für was zuständig), die Kosten des Prozesses und die Parteikosten (Entschädigung an die obsiegende Partei).

Mit der neuen ZPO neu geregelt ist auch die gesetzliche Grundlage für vertragliche Schiedsgerichte.[1]

Wesentlicher Bestandteil des Zivilprozesses ist die Frage des «wer gegen wen»: Grundsätzlich gilt ein Zivilprozess nur zwischen den bei Rechtshängigkeit (Einreichung des Schlichtungsgesuchs bzw. der Klage) betroffenen Parteien. Bereits eine Ungenauigkeit bei der Bezeichnung der Parteien kann zum Scheitern des angestrebten Prozesses führen.

Zivilprozesse können lange dauern (als Regel gilt: zwei Instanzen im Kanton und dann noch das Bundesgericht). Das Leben und insbesondere das wirtschaftliche Leben sind oft schneller. Entsprechend häufig gibt es auch Ausnahmen bzw. Wechsel der Parteien während des Prozesses: Der Besteller eines Hauses verkauft dieses während des Nachbesserungsprozesses gegen den Bauunternehmer, der eingeklagte Verkäufer eines Pferdes verkauft dieses während des Prozesses an einen Dritten. Das sind Beispiele der Einzelrechtsnachfolge. Sie können den Prozess beeinflussen (stören oder zum Absturz bringen). Demgegenüber gibt es gesetzliche Rechtsnachfolgen, die vielleicht eine vorübergehende Unterbrechung erzeugen, sonst aber keinen direkten Einfluss auf den Prozess haben (Tod oder Konkurs einer Partei, Fusion etc.).

Einzelrechtsnachfolge

Wird die Streitsache während des Prozesses verkauft, kann dies darauf hinauslaufen, dass der Kläger vom Beklagten die Sache nicht mehr herausverlangen kann, sondern sein Rechtsbegehren beispielsweise auf Schadenersatz abändern muss. Der Erwerber kann an Stelle der veräussernden Partei und mit deren Einverständnis in den Prozess eintreten, übernimmt damit aber auch das Risiko des Prozesses und dessen Kosten (ZPO Art. 83).

Denkbar ist wohl auch, dass der Veräussernde – wiederum mit entsprechendem Einverständnis des Erwerbers – Partei bleibt (sogenannte Prozessstandschaft[2]).

Universalsukzession

Anders und einfacher läuft es bei der Rechtsnachfolge Kraft Gesetzes, wie sie in ZPO Art. 83 Abs. 4 vorbehalten ist (meistens handelt es sich um Gesamtrechtsnachfolge, auf juristisch Universalsukzession).

Darunter gehören etwa Erbgang (ZGB Art. 560) oder Tatbestände gemäss Fusionsgesetz wie Fusion, Spaltung, Umwandlung und wohl auch Vermögensübertragung (FusG Art. 22).

Ähnlich läuft es bei Konkurs oder Nachlassvertrag einer Partei. Die dadurch verselbständigten Vermögensmassen treten von Gesetzes wegen in den hängigen Prozess ein.

Parteiwechsel nach Streitverkündung

Überraschend ist die Möglichkeit des Streitberufenen, mit Einverständnis der entsprechenden Partei und ohne Zustimmung der Gegenpartei an seine Stelle zu treten (ZPO Art. 79 Abs. 1 lit. b). Beispiel: Der Generalunternehmer haftet dem Besteller gegenüber mangels anderer Abrede für die Mängel seiner Subunternehmer. Er kann diesen aber den Streit verkünden (der Generalunternehmer kündigt dem Fensterlieferanten also an, bei Unterliegen auf ihn zurückgreifen zu wollen). Mit Einverständnis des Generalunternehmers kann nun der Fensterlieferant an dessen Stelle in den Prozess eintreten. Die Gegenpartei kann sich dazu nicht äussern, allenfalls steht ihr das Recht zu, Sicherheitsleistung zu verlangen (ZPO Art. 83 Abs. 3)[3]. Auch wenn der Fensterlieferant nicht die Möglichkeit des direkten Prozesseintritts wählt, wirkt durch hinreichende Streitverkündung ein allfälliges Urteil gegen den Generalunternehmer auch ihm gegenüber (ZPO Art. 77 und 80).

Die neue ZPO muss sich vorerst in der ganzen Schweiz gegen liebe Gewohnheiten der Kantone durchsetzen. Das gilt auch für die neue Regelung der Parteiwechsel.

Fussnoten

  1. ZPO Art. 353 – 388 mit intertemporalem Recht in Art. 407. Danach bleiben vor 2011 abgeschlossene Schiedsvereinbarungen gültig, wenn sie günstiger sind als die neue Ordnung. Für frühere Schiedsklauseln galt das Konkordat aus dem Jahr 1969, das jedenfalls für neue Schiedsvereinbarungen ab 2011 dahinfällt.

  2. Gasser/Rickli, Kurzkommentar zur ZPO, St. Gallen 2010, N3 zu ZPO Art. 83.

  3. So sieht es Gasser/Rickli a.a.O. in N3 zu ZPO Art. 79.

Artikel speichern

pdf (260 KB)

Artikel teilen

Share