Angefahrenes Tier - Was muss ich tun?
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Strafrecht

Angefahrenes Tier - Was muss ich tun?

Ein Unfall mit einem Tier, sei es eine Katze oder ein Reh, kann schnell passieren. Was muss der Fahrzeugführer in einer solchen Situation tun?

Horace P. Greeley fährt in der Dämmerung von Niederwangen durch den Forst nach Neuenegg. Auf dem Niederwangenhubel sieht er plötzlich einen kleinen, dunklen Schatten vor sein Fahrzeug flitzen und hört ein leichtes Rumpeln. Herr Greeley hält an und sieht, dass er eine Katze angefahren hat. Er bringt diese zum nahe gelegenen Bauernhof, von welchem die Katze offensichtlich herkam, und gibt dem Bauern seinen Namen und Adresse an, welcher sich um das leicht benommene Kätzlein kümmert. Mit weichen Knien fährt Herr Greeley weiter. Als wäre dieser eben erfolgte Zusammenstoss nicht genug, springt ihm auch noch ein Reh vor das Auto. Weil dieses sich humpelnd aus dem Staub macht, entscheidet sich Herr Greeley, weiterzufahren. Hat sich Herr Greeley korrekt verhalten? Und wer bezahlt den Schaden am Auto und das Verarzten der Katze?

Unfall mit einem Tier – Was tun?

Bei einem Unfall, bei welchem nur Sachschaden entstanden ist, muss der Unfallverursacher den Geschädigten benachrichtigen und seinen Namen und seine Adresse angeben. Wenn dies nicht möglich ist, ist er verpflichtet, unverzüglich die Polizei zu verständigen.[1]

Weil Tiere laut Gesetz[2] zwar keine Sachen sind, aber die auf Sachen anwendbaren Vorschriften zur Anwendung kommen, sofern keine besonderen Regelungen bestehen, gilt ein Tier, welches angefahren wurde, als Sachschaden.

Bei Haustieren muss der Unfallverursacher somit den Eigentümer der Katze, oder wenn dies nicht möglich ist, die Polizei unverzüglich verständigen.[3] Andernfalls kann er wegen pflichtwidrigem Verhalten bei einem Unfall (Fahrerflucht) mit Busse bestraft werden.[4]

Weil Wildtiere über keinen Besitzer verfügen, ist es nicht möglich, einen solchen zu informieren. Fallwild (tote, kranke und verletzte Wildtiere oder Teile davon sowie verlassene oder verwaiste Jungtiere) muss aber unverzüglich dem Wildhüter oder der Polizei gemeldet werden, damit dieser das Wildtier suchen, verarzten, es artgerecht vom Leiden erlösen oder fachgerecht entsorgen kann.[5] Der Beizug des Wildhüters resp. der Polizei ist zudem auch wichtig, damit das von diesen erstellte Schadensprotokoll einer allfälligen Teilkaskoversicherung eingereicht werden kann.

Weiter hält das Tierschutzgesetz fest, dass jemand, der ein Tier misshandelt, vernachlässigt, es unnötig überanstrengt oder dessen Würde in anderer Weise missachtet, mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bestraft wird.[6] Lässt ein Unfallverursacher ein angefahrenes Tier einfach liegen, kann er sich somit neben der Fahrerflucht zusätzlich wegen Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz strafbar machen, weil das Tier unter Umständen unnötig leiden musste. Auch aus diesem Grund muss bei Haustieren der Besitzer und/oder Tierarzt und bei Wildtieren der Wildhüter (via Polizei) verständigt werden.

Wer haftet für den Schaden?

Durch einen Unfall mit einem Tier, kann sowohl eine Verletzung und damit ein Schaden am Tier, wie auch ein Schaden am Fahrzeug entstehen.

Das Strassenverkehrsgesetz sieht – entgegen des allgemeinen Grundsatzes der Verschuldenshaftung – die Betriebshaftung (sog. Kausalhaftung) vor.[7] Dies bedeutet, dass der Fahrzeughalter für den Schaden haftet, wenn durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht wurde. Dies unabhängig davon, ob ihn tatsächlich ein Verschulden trifft. Der Fahrzeughalter haftet gemäss Art. 58 Abs. 4 SVG darüber hinaus auch für das Verschulden des Lenkers wie für eigenes Verschulden.

Der Fahrzeughalter wird von der Haftpflicht befreit, wenn er beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt oder grobes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten verursacht wurde, ohne dass ihn selbst oder Personen, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft und ohne dass eine fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeuges zum Unfall beigetragen hat.[8]

Beweist der Fahrzeughalter, dass ein Verschulden des Geschädigten beim Unfall mitgewirkt hat, so bestimmt der Richter die Ersatzpflicht unter Würdigung aller Umstände.[9]

Auch hinsichtlich des Tierhalters gilt eine Kausalhaftung.[10] Demnach haftet für den von seinem Tier angerichteten Schaden, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.

Wenn niemanden ein Verschulden trifft, werden die Schäden in der Praxis oft zu zwei Dritteln dem Fahrzeughalter und zu einem Drittel dem Tierhalter auferlegt.[11] Die Kostenaufteilung kann sich jedoch verschieben, wenn ein Beteiligter ein Verschulden oder ein grösseres Verschulden am Unfall trifft. Trifft beispielsweise den Tierhalter ein schweres Verschulden, den Fahrzeughalter aber kein Verschulden, kann letzterer gestützt auf Art. 59 Abs. 1 SVG sogar von seiner Haftung befreit werden, währendem der Tierhalter gestützt auf Art. 56 OR allein haftet.[12]

Der Fahrzeugführer, welcher nicht zugleich auch Fahrzeughalter ist, hat die Betriebsgefahr nicht zu vertreten. Für ihn gilt die Kausalhaftung nicht. Der Fahrzeugführer ist jedoch dann haftbar, wenn ihn ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) am Unfall trifft.[13]

Fazit

Wie sieht es nun hinsichtlich Horace P. Greeley aus? Bei der Katze hat er sich korrekt verhalten, indem er den Bauern als Tierhalter informierte. Die Polizei musste deshalb nicht informiert werden. Der Schaden an Auto und Tier werden gemäss Praxis zu 2/3 Herrn Greeley und zu 1/3 dem Bauern auferlegt.

Demgegenüber war das Verhalten beim Unfall mit dem Reh falsch. Herr Greeley könnte wegen Fahrerflucht und Tierquälerei bestraft werden, musste er doch davon ausgehen, dass das Reh unnötig lange leiden würde, wenn der Wildhüter nicht informiert wird.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 02/2019 veröffentlicht.


Fussnoten

  1. Art. 51 Abs. 3 SVG.

  2. Vgl. Art. 641a ZGB.

  3. Tierärzte und die Polizei verfügen über ein Chip-Lesegerät, mit welchem der Besitzer ausfindig gemach werden kann.

  4. Vgl. Art. 92 Abs. 1 SVG.

  5. Art. 23 JaV.

  6. Art. 26 Abs. 1 lit. a TschG.

  7. Art. 58 Abs. 1 SVG.

  8. Art. 59 Abs. 1 SVG.

  9. Art. 59 Abs. 2 SVG.

  10. Art. 56 Abs. 1 OR.

  11. Vgl. Weissenberger, Komm. SVG, Art. 60 N 18 S.543.

  12. Vgl. Weissenberger, Komm. SVG, Art. 60 N 29.

  13. Art. 41 Abs. 1 OR.

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