Arbeitslosenentschädigung auch für Verwaltungsrät...
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Öffentliches Recht

Arbeitslosenentschädigung auch für Verwaltungsräte?

Herr Muster ist Minderheitsaktionär der Musterbau AG, Verwaltungsrat, VR-Präsident und Geschäftsführer. Er will aus dem Verwaltungsrat austreten und künftig nur noch Geschäftsführer sein. Er stellt sich die Frage, ob er im Falle des Falles Arbeitslosenentschädigung erhält, wenn die AG in Konkurs fallen würde.

Personen, die sich in einer arbeitgeberähnlichen Stellung befinden, haben keinen Anspruch auf eine Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 i.V.m. Art. 31 lit. c AVIG). In einer arbeitgeberähnlichen Stellung befinden sich Personen, die nach AHVG als Unselbständigerwerbende Lohn erzielen (z.B. in einer AG, GmbH oder Genossenschaft) und einen massgebenden Einfluss auf die Entscheidfindung des Betriebs haben. Solange diese Personen nicht definitiv aus dem Betrieb ausgeschieden sind und ihre arbeitgeberähnliche Stellung nicht endgültig aufgegeben haben, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.

Was sind das für Personen, die eine arbeitgeberähnliche Stellung innehaben?

  • Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidgremiums, ohne Prüfung der effektiven Entscheidbefugnisse: Bei Verwaltungsräten einer AG ergibt sich die massgebliche Einflussnahme von Gesetzes wegen. Es ist ohne weitere Prüfung ein Leistungsausschluss zu verfügen (egal ob das Mitglied des Verwaltungsrats nur 2% der Aktien besitzt und welche Aufgaben es wahrnimmt).
  • Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidgremiums, mit Prüfung der effektiven Entscheidbefugnisse: Bei den Mitgliedern eines Entscheidgremiums (mit Ausnahme von Verwaltungsräten einer AG) ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Entscheidbefugnisse den Personen aufgrund der internen betrieblichen Struktur tatsächlich zukommen. Bei einem nicht dem Verwaltungsrat angehörenden einzelzeichnungsberechtigten Generaldirektor, der z.B. für die Bereiche Administration und Finanzen verantwortlich ist, kann ohne Bezugnahme auf die intern herrschenden Verhältnisse nicht zwingend eine massgebliche Beeinflussung der Willensbildung abgeleitet werden.

Für die Beurteilung, ob eine Person tatsächlich einen massgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen hat, können unter anderem folgende Angaben und Beweismittel herangezogen werden:

  • Handelsregisterauszug;
  • Statuten;
  • Gründungsprotokolle;
  • Arbeitsverträge;
  • Organigramm des Betriebs;
  • Befragung der versicherten Person und des Arbeitgebers über die effektiven Aufgaben, die Kompetenz- und Entscheidbefugnisse, die finanzielle Beteiligung, die Handlungsvollmachten, die Zeichnungsbefugnisse;
  • Steuerveranlagung für die Überprüfung der finanziellen Beteiligung.

Finanzielle Beteiligung: Wenn aufgrund des Ausmasses der finanziellen Beteiligung der arbeitnehmenden Person massgebende Entscheidbefugnisse zukommen, liegt eine arbeitgeberähnliche Stellung vor, d.h. ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ist ausgeschlossen. Die Beurteilung hängt von den konkreten Umständen ab.

Weiter ist zu prüfen, ob diese Person ihre so definierte Stellung definitiv beendet hat: Dieses Ausscheiden muss anhand eindeutiger Kriterien beurteilt werden können, welche keinen Zweifel am definitiven Austritt aus der Firma übrig lassen.

Folgende Sachverhalte führen zum definitiven Ausscheiden bzw. zur endgültigen Aufgabe der arbeitgeberähnlichen Stellung:

  • Auflösung des Betriebs;
  • Konkurs des Betriebs;
  • Verkauf des Betriebs oder der finanziellen Beteiligung mit Wegfall der arbeitgeberähnlichen Stellung;
  • Kündigung mit gleichzeitigem Verlust der arbeitgeberähnlichen Stellung.

Der Eintrag im Handelsregister wird von der Rechtsprechung als wichtiges und einfach zu handhabendes Kriterium berücksichtigt, um eine arbeitgeberähnliche Stellung zu beurteilen. Grundsätzlich wird erst mit der Löschung des Eintrags der arbeitgeberähnlichen Person im Handelsregister (SHAB-Publikation) für Dritte in verlässlicher Weise kundgetan, dass die Person definitiv aus der Firma ausgetreten ist bzw. die arbeitgeberähnliche Stellung endgültig aufgegeben hat. Widersprechen die tatsächlichen Gegebenheiten eindeutig und nachweislich dem Handelsregistereintrag, ist von den tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen.[1]

Mit dem Konkurs geht grundsätzlich die Beendigung der arbeitgeberähnlichen Stellung einher. Personen, die jedoch gemäss Liquidationsbeschluss weiterhin für die Firma in Liquidation tätig sind, d.h. die gesetzlichen und statutarischen Befugnisse für die Liquidation beibehalten, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.

Die sich hier stellenden Fragen können also wie folgt beantwortet werden:

  • Wenn sich Herr Muster vor dem Konkurs nicht als Verwaltungsrat aus dem Handelsregister löschen lassen kann, hat er eine arbeitgeberähnliche Stellung inne und somit grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Arbeitslosenentschädigung. Damit er Anspruch hätte, müsste er definitiv ausscheiden bzw. seine arbeitgeberähnliche Stellung aufgeben. Mit dem Konkurs der AG geht aber grundsätzlich auch die Beendigung der arbeitgeberähnlichen Stellung einher. Es spielt also gar keine Rolle, ob Herr Muster vorher als Verwaltungsrat aus dem Handelsregister gelöscht wird oder nicht. Er hätte in jedem Fall Anspruch auf eine Arbeitslosenentschädigung.
  • Wenn Herr Muster vor dem Konkurs als Verwaltungsrat aus dem Handelsregister gelöscht wird und die Mehrheit der Aktien hat, besteht die gleiche Rechtslage wie in Ziff. 1. Sobald die AG in Konkurs geht, wird die arbeitgeberähnliche Stellung beendet, d.h. die versicherte Person hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.
  • Dasselbe gilt, wenn Herr Muster als Verwaltungsrat aus dem Handelsregister gelöscht wird und nur noch Geschäftsführer der AG ist. Auch in diesem Fall hat er Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.
  • Gibt es Unterschiede zwischen einem Konkurs und einer ordentlichen Liquidation?

Wird die Liquidation einer Firma beschlossen, stellt sich die Frage, ob die versicherte Person trotz Liquidationsbeschluss weiterhin eine arbeitgeberähnliche Stellung innehat. Diesfalls hat die versicherte Person keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bis zur Löschung der Firma im Handelsregister.

Beim Konkurs eines Betriebs geht grundsätzlich die arbeitgeberähnliche Stellung unter. Wird der Konkurs jedoch mangels Aktiven eingestellt, dauert der Zustand der Liquidation an. Behält die versicherte Person nach Konkurseinstellung mangels Aktiven ihre arbeitgeberähnliche Stellung bei, hat sie keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung – ebenfalls bis zur Löschung der Firma im Handelsregister.

Fussnoten

  1. «… kommt es jedoch bei Personen mit arbeitgeberähnlichen Eigenschaften mit Blick auf die Beendigung der Organstellung nicht auf den Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister an. Nach der Rechtsprechung ist vielmehr in Angleichung an die Praxis nach Art. 52 AVIG der tatsächliche Rücktritt, welcher unmittelbar wirksam wird, massgebend. Ausschlaggebend ist vorliegend daher das mit Rücktrittschreiben erfolgte effektive Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat und nicht die Löschung im Handelsregister oder die Publikation im SHAB …», ARV 2008, S. 150

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