Privatrecht
In unseren Breitengraden gilt es als Errungenschaft, einen Streit nach geordnetem Verfahren zu verlieren, anstatt den Schädel eingeschlagen zu erhalten. Auch das Siegen und Vollstrecken auf dem Weg rechtsstaatlich geordneter Staatsmacht ist angenehmer als Selbstjustiz und Faustrecht. Gute Gerichte sind ein Pfeiler des Rechtsfriedens, ihr Funktionieren ist eine Kernaufgabe jedes Gemeinwesens. Dafür stellt es staatliche Gerichte zur Verfügung.
Wenn die Parteien hinreichend frei über ihre Streitigkeit entscheiden können,[1] steht es ihnen auch frei, diese Streitigkeit nicht durch ein staatliches, sondern durch ein privates, unter sich vereinbartes Gericht entscheiden zu lassen. Um dieses private Schiedsgericht geht es in diesen Ausführungen.
Das Schiedsgericht als vertragliches Gebilde des Privatbzw. Prozessrechts hat ausser dem Auftrag und der Zuständigkeit zum Entscheid in der Sache keine Möglichkeit von Zwangsanwendung: Vorsorgliche Massnahmen wie Handlungs- oder Unterlassungsbefehle vor dem oder während des Prozesses, Vollstreckung, aber auch Massnahmen gegenüber widerspenstigen Zeugen etc. obliegen auch bei Zuständigkeit eines Schiedsgerichts staatlichen Gerichten und Behörden. So steht es einem Schiedsgericht auch nicht zu, die Verurteilung unter Strafandrohung im Unterlassungsfalle zu stellen. Derartige Kompetenzen darf der Staat nicht aus der Hand geben. Unser Staat hilft aber privaten Gerichten gerne, solange rechtsstaatliche
Prinzipien gewahrt bleiben.
Als Schiedsgericht wird verstanden, was eine Streitigkeit mangels Einigung definitiv, also mit materieller Rechtskraft, zu entscheiden vermag. Darin unterscheidet es sich von anderen, weniger weit gehenden Streitlösungsmechanismen wie etwa der Mediation (Vermittlung) oder einem Schlichtungsverfahren. Es ist auch vom Schiedsgutachten zu unterscheiden: Hier übertragen die Parteien einem Dritten die definitive Klärung einzelner Sachverhalte einer Differenz (Fragen zur «Geschichte», z. B. «Bestehen Mängel?», «Wer hat sie zu vertreten?», «Warum ist ein Ereignis eingetreten?» etc.). Wenn das Gericht später zu entscheiden hat, ist es an das Schiedsgutachten grundsätzlich gebunden, hat aber weitere Sach- und vor allem Rechtsfragen noch zu entscheiden.
Der Staat hat auch für Schiedsgerichte minimale Vorschriften erlassen. Zentrale Bestimmungen sind häufig zwingend, die Parteien können von ihnen also nicht abweichen:
Alles andere bzw. die Details für das Verfahren sind unter den Parteien zu vereinbaren oder werden durch das Schiedsgericht geregelt.
Die Vereinbarung eines Schiedsgerichts kann im Voraus festgelegt werden, dann handelt es sich um eine Schiedsklausel. Die Streiterledigung ist z. B. im Vertrag oder im Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft geregelt. Die Vereinbarung eines Schiedsgerichts ist auch nach Ausbruch der Streitigkeit möglich, man spricht dann von einem Schiedsvertrag. Die Vereinbarung über die Art und Weise einer Streitentscheidung setzt minimale Sachlichkeit und Reife beider Parteien voraus.
Je nach Umständen kann dem staatlichen Gericht der Vorzug gegeben oder der «Apparat» massgeschneidert werden (z. B. Einer- oder Dreierschiedsgericht, Beschränkung auf ein Schiedsgutachten etc.). Bei «mühsamen» Verhältnissen, also wenn eine Partei beispielsweise vorab auf Verzögerung macht, bieten sich ihr beim Schiedsgericht bessere Möglichkeiten. So gesehen ist ein Schiedsgericht mit Vorteil erst nach Entstehung des Streits zu vereinbaren (Schiedsvertrag).
Es gibt zahlreiche Schiedsgerichtsmodelle, erwähnt seien hier die Folgenden:
Was ist bei der Wahl zwischen dem staatlichen Gericht und einem Schiedsgericht zu bedenken?
Wenn es wirklich um einen raschen Entscheid gehen soll, sei hier das Verfahren der so genannten MEDALOA (Mediation and Last Offer Arbitration) erwähnt. Nach dem Scheitern der Mediation oder einem Schlichtungsverfahren unter einem oder mehreren Vermittlern haben beide Parteien die Möglichkeit, eine letzte, bestmögliche Offerte abzugeben. Der oder die Vermittler haben alsdann gleichsam als Schiedsrichter zu entscheiden, auf der Grundlage welcher dieser Offerten der Konflikt beendet wird.[9]
Bei allen Varianten bleibt es beim Grundsatz: Ein vermiedener Prozess ist immer noch der beste Prozess.
Fussnoten
Wo öffentliche oder vom Staat als wichtig erachtete Gründe entgegenstehen, gibt es keine oder nur beschränkte Möglichkeiten einer Alternative zum staatlichen Gericht (Monopol). Beispiele: Strafrecht, Steuer- bzw. allgemeines Verwaltungsrecht, Familienrecht wie Scheidung oder Vaterschaftsklagen etc., aber auch Streitigkeiten über Wohnungsmiete (bei Geschäftsmiete sind Schiedsgerichte möglich). Die Schiedsgerichtsbarkeit findet sich deshalb vor allem im Privatrecht, und hier schwergewichtig im Vertragsrecht.
Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (BSG 279.2). Dieses wird dereinst abgelöst durch ein Kapitel des zur Zeit entstehenden Bundesgesetzes über eine schweizerische Zivilprozessordnung.
Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (BSG 279.2). Dieses wird dereinst abgelöst durch ein Kapitel des zur Zeit entstehenden Bundesgesetzes über eine schweizerische Zivilprozessordnung.
KSG Art. 31 Abs. 3
Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (SR 291)
Richtlinie 150, Ausgabe 1977
Zu einem Fall, in welchem das CAS aktiv wird, vgl. den Rechtsbrief "Rechtsfragen bei Transfers von Fussballspielern".
Hans Peter Walter in: Tagungsunterlagen zur Baurechtstagung 1997 in Freiburg, Band I, S. 50, mit Verweis auf Blessing in BullASA 1996, S. 123 ff.