Die erbrechtliche Ausgleichung
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Privatrecht

Die erbrechtliche Ausgleichung

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) geht davon aus, dass jedermann zu seinen Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügen darf und kann; es stellt allerdings auch den Grundsatz auf, dass die gesetzlichen Erben vermögensrechtlich gleich zu behandeln sind und hat hierfür die Art. 626 bis 632 ZGB geschaffen.

Mit der erbrechtlichen Ausgleichung sollen also lebzeitige und unentgeltliche Vermögenszuwendungen bei der Teilung des Nachlasses der schenkenden Person (Erblasser) berücksichtigt werden, sofern diese nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt hat. Bei gemischten Schenkungen – die Vermögenshingabe wird durch den Empfänger teilweise abgegolten – setzt das Bundesgericht voraus, dass in objektiver Hinsicht eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt und in subjektiver Hinsicht der Erblasser den Willen zu einer unentgeltlichen Zuwendung hat. Die Streitfrage, ob das (erhebliche) Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung von den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Vermögenszuwendung) tatsächlich erkannt worden ist oder bloss erkennbar gewesen ist, hat das Bundesgericht noch nicht entschieden. Hat ein Erblasser seine Verfügungsbefugnis überschritten, finden diese Handlungen ihre Schranke (nur) im Pflichtteilsrecht seines Ehegatten und seiner Nachkommen und unterliegen der Herabsetzung; es sind also nur diejenigen Zuwendungen herabzusetzen, die ihrer Natur nach der Ausgleichung unterstehen würden, ihr aber durch eine Verfügung des Erblassers entzogen worden sind.

Ausgleichungspflichtig ist nur, wer als gesetzlicher Erbe im Zeitpunkt des Erbgangs an der Erbschaft beteiligt ist; nicht der Ausgleichungspflicht unterliegen somit Personen, welche erbunwürdig sind, enterbt worden sind, einen Erbverzicht abgegeben oder die Erbschaft ausgeschlagen haben, sowie eingesetzte Erben, sofern der Erblasser solche nicht ausdrücklich der Ausgleichungspflicht unterworfen hat. Bei der Erbschaftsausschlagung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Nachkommen eines ausschlagenden Erben bei Annahme der Erbschaft ihrerseits der Ausgleichungspflicht unterliegen.

Nachkommen eines Erblassers sind bezüglich Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretungen, zu welchen auch Schulderlasse gehören, ohne gegenteilige Anordnung zur Ausgleichung verpflichtet, wogegen übliche Gelegenheitsgeschenke bei besonderen Gelegenheiten wie Geburtstag und Weihnachten gemäss gesetzlicher Vorschrift nicht ausgleichungspflichtig sind; die Vermögensabtretung betrifft nicht nur die Gesamtheit eines Vermögens sondern auch einzelne bedeutende Vermögenswerte. Ohne anderen Willen des Erblassers haben dessen Kinder seine freiwilligen Auslagen für ihre Erziehung und Ausbildung nur auszugleichen, wenn solche das übliche Mass übersteigen; die von Eltern erbrachten und nach dem Kindesrecht des ZGB vorgesehenen Erziehungs- und Ausbildungskosten können zwingend nicht der Ausgleichung unterstellt werden.

Die Ausgleichung geschieht zum Wert der Zuwendung im Zeitpunkt der Eröffnung des Erbgangs (Tod des Erblassers), sofern der Verstorbene nicht anders verfügt hat; hat der Zuwendungsempfänger den Vermögenswert bereits vor Eröffnung des Erbgangs zu Marktbedingungen weiterveräussert, tritt an dessen Stelle der Erlös. Massgebend für noch vorhandene Vermögenswerte ist ohne andere Anordnung des Erblassers der geschätzte Verkehrswert mit der Einschränkung, dass landwirtschaftliche Grundstücke nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (BGBB) dem Erwerber zum einfachen oder doppelten Ertragswert angerechnet werden, sofern nicht wiederum davon abweichende Vorschriften zur Anwendung gelangen.

Hat ein Erbe eine Geldsumme erhalten, so hat er, ohne andere Vereinbarung mit dem Erblasser im Zuwendungsgeschäft, nur den erhaltenen Betrag – ohne Zinsen – auszugleichen, entsprechend der allgemeinen Regel, dass der Gebrauch und die Nutzung auf Rechnung künftiger Erbschaft zugewendeter Sachen vor dem Tod des Erblassers nicht auszugleichen sind. Geht eine zugewendete Sache vor dem Tod des Zuwenders ohne Verschulden des Empfängers (und ausgleichungspflichtigen Erben) unter, haftet dieser für den Ausfall nicht; allfällige Versicherungsleistungen für die untergegangene Sache hat sich der Empfänger selbstverständlich anrechnen zu lassen und auszugleichen.

Ausgleichungspflichtige Erben haben die Wahl, die Ausgleichung entweder durch Einwerfung der Sache in Natur (Realkollation) oder durch Anrechnung dem Wert (Idealkollation) nach vorzunehmen; dieses Wahlrecht steht nur dem Ausgleichungspflichtigen zu, nicht jedoch den Ausgleichungsberechtigten.

Die Ausgleichung kann in einem Erbteilungsprozess oder in einem auf die Ausgleichung beschränkten Verfahren geltend gemacht werden; der Ausgleichungsanspruch ist Teil des Erbteilungsverfahrens und so wie der Teilungsanspruch unverjährbar, kann also einredeweise bis zum Abschluss der Erbteilung jederzeit geltend gemacht werden.

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