Mündigenunterhalt: Welche Regeln gelten, wenn die...
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Privatrecht

Mündigenunterhalt: Welche Regeln gelten, wenn die Kinder erwachsen werden?

In den letzten Jahren ist die Zahl der Studieneintritte an den Universitäten stark gestiegen. Gleichzeitig scheint der Übertritt in eine Fachhochschule nach abgeschlossener Berufsmaturität allmählich zur Regel zu werden. Solche Ausbildungswege werden gewöhnlich erst mehrere Jahre nach Erreichen des Mündigenalters von 18 Jahren abgeschlossen. Dabei stellt sich für die Eltern die Frage, ob und inwieweit sie ihre Kinder dabei finanziell unterstützen sollen und müssen. Der nachfolgende Artikel zeichnet einige Leitlinien im Bereich des Mündigenunterhalts.

Unterschiede zum Unterhalt für unmündige Kinder

Der wohl wesentlichste Unterschied zum Unterhalt für unmündige Kinder besteht darin, dass der Mündigenunterhalt grundsätzlich der Parteidisposition überlassen ist. Den Eltern steht es daher frei, sich mit ihrem Kind über die Höhe und Dauer sowie über die Abänderbarkeit des Unterhalts einvernehmlich zu einigen. Gleichzeitig kann ein erwachsenes Kind auf die elterliche finanzielle Unterstützung auch gänzlich verzichten.

Ein solcher Unterhaltsvertrag ist an keine bestimmte Form gebunden, kann somit mündlich oder auch konkludent (zum Beispiel durch regelmässige Zahlungen an das Kind) zustande kommen. Eine Genehmigung durch die Kindesschutzbehörde ist ebenfalls nicht erforderlich. Aus beweisrechtlicher Sicht empfiehlt es sich aber, solche Vereinbarungen dennoch schriftlich zu verfassen und beidseitig zu unterzeichnen.

Nicht selten sind jedoch gerade die Höhe und Dauer des Unterhalts Gegenstand familieninterner Auseinandersetzungen. Für den Fall, dass keine Einigung zwischen den Parteien zustande kommt, hat der Gesetzgeber bestimmte Minimalstandards normiert, welche im Streitfall auch klageweise durchgesetzt werden können. Auf diese wird nachfolgend eingegangen.

Gesetzliche Grundlagen

Als Grundsatz sieht Art. 277 Abs. 1 ZGB vor, dass Kindesunterhalt bis zum Erreichen des Mündigenalters geschuldet ist. Als Ausnahme dazu normiert Abs. 2 dieser Bestimmung die Fortsetzung der Unterhaltspflicht der Eltern, falls das Kind bei Erreichen der Volljährigkeit noch keine angemessene Ausbildung abgeschlossen hat und es den Eltern nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, weiterhin für den Unterhalt des Kindes aufzukommen. In Anbetracht der eingangs beschriebenen Tendenzen an den Fachhochschulen und Universitäten wird der Ausnahmecharakter dieser Bestimmung zu Recht in Frage gestellt.[1]

Angemessene Ausbildung

Die Fortsetzung der finanziellen Unterstützung durch die Eltern über das Mündigenalter hinaus soll einem Kind gemäss Gesetz lediglich zukommen, wenn es noch über keine angemessene Ausbildung verfügt. Darunter ist grundsätzlich eine Ausbildung zu verstehen, die es dem Kind im Rahmen seiner Fähigkeiten und Neigungen erlaubt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und wirtschaftlich selbständig zu werden.[2] Dabei gilt es zwischen Erstausbildung und Zweitresp. Zusatzausbildung zu unterscheiden, wobei bei letzteren in der Regel kein Unterhalt mehr gefordert werden kann.

So ist die Maturität alleine beispielsweise noch keine angemessene Ausbildung, sondern vielmehr ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur universitären Ausbildung.[3] Weiter sind das Erlangen der kaufmännischen Berufsmaturität und das anschliessende Studium an einer Fachhochschule in der Regel als Einheit und somit noch als Erstausbildung zu betrachten, womit die Unterhaltspflicht ebenfalls noch andauert.[4] Ob bereits der Bachelor- oder erst der Masterabschluss zur Berufsausübung qualifiziert und die Erstausbildung abschliesst, ist jedoch von der jeweiligen Studienrichtung und den Berufszielen des Kindes abhängig. Bachelorabschlüsse an Fachhochschulen gelten beispielsweise als Abschluss der Erstausbildung, während Studienrichtungen wie Rechtswissenschaften und Medizin in der Regel nach einem Masterabschluss verlangen.[5]

Die Unterstützungspflicht währt jedoch nicht ewig. Das Kind hat, unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und damit allenfalls verbundenen Misserfolgen sowie Gewährung der üblichen Unterbrechungen wie Militärdienst, die Erstausbildung ordentlicherweise abzuschliessen. «Ewige Studenten» laufen somit Gefahr, ihren Unterhaltsanspruch je nach den konkreten Umständen zu verwirken.

Bemessung des Mündigenunterhalts

Gemäss Art. 285 Abs. 1 ZGB richtet sich die Bemessung des Mündigenunterhalts nach dem Bedarf des Kindes, dessen Eigenversorgungskapazität sowie der Lebensstellung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Eltern.

Oberste Schranke bei der Unterhaltsbemessung bildet der Bedarf des Kindes. Dieser kann anhand einer konkreten Budgetberechnung ermittelt werden. Hilfestellung bieten dabei Berechnungsvorschläge von Universitäten oder Studentenorganisationen.[6] Entscheidet sich das unterhaltsberechtigte Kind, ausserhalb des elterlichen Haushalts zu wohnen, muss es je nach den Umständen die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst finanzieren, dies namentlich, wenn es dem Kind zumutbar und möglich wäre, während der Erstausbildung mit den Eltern in einer Wohngemeinschaft zu leben.[7]

Eine weitere Schranke gegen oben setzt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern. Nach Ausrichtung der Unterhaltsleistung soll den Eltern oder dem in Anspruch genommenen Elternteil noch ein Einkommen verbleiben, das den familienrechtlichen Grundbedarf um ungefähr 20% übersteigt.[8] Weitere finanzielle Einschränkungen sind den Eltern im Gegensatz zum Unterhalt für unmündige Kinder grundsätzlich nicht zumutbar.

Schliesslich kann der Unterhaltsbeitrag aufgrund der Eigenversorgungskapazität des Kindes nach unten angepasst oder gänzlich aufgehoben werden. Zu berücksichtigen sind dabei das Vermögen des Kindes und dessen Ertrag, Leistungen Dritter sowie ein zumutbares Erwerbseinkommen. Die Rechtsprechung tendiert beispielsweise dazu, Studenten vermehrt einen zumutbaren Teilzeiterwerb anzurechnen, wobei auch hierbei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

Eine grosse Rolle spielen schliesslich auch die unterschiedlichen Familienstrukturen: Wohnen die Eltern und das Kind in einer Wohngemeinschaft, so ist der Unterhalt in erster Linie in natura zu erbringen. Wohnt das Kind jedoch bei einem Elternteil oder alleine, steht der Unterhalt in Geld im Vordergrund. Beide Leistungsarten werden aber als gleichwertig angesehen. Naturalleistungen des einen Elternteils sind somit bei der Berechnung des Geldbeitrags des anderen Elternteils zu berücksichtigen.

In Bezug auf die Bemessung ist festzustellen, dass stets sämtliche Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind und sich die verschiedenen Faktoren auch gegenseitig beeinflussen können.

Zumutbarkeit in persönlicher Hinsicht

Schliesslich will das Bundesgericht bei der Beurteilung des Mündigenunterhalts auch persönliche Aspekte berücksichtigt wissen: Ist die Beziehung zwischen den unterhaltspflichtigen Eltern und dem mündigen Kind zerrüttet, kann die Unterhaltspflicht trotz wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für die Eltern unzumutbar werden, dies namentlich, wenn das Kind ohne Grund aus eigenem Willen die persönlichen Beziehungen zu den Eltern abbricht oder sich grundlos dem persönlichen Verkehr mit ihnen entzieht. Die Eltern werden bei dieser Sachlage zu einer reinen Zahlstelle degradiert.[9] Die Unzumutbarkeit der Unterhaltspflicht aus persönlichen Gründen wird von den Gerichten jedoch nur sehr zurückhaltend bejaht und lediglich, wenn dem Kind für die Familiensituation subjektiv ein Vorwurf gemacht werden kann.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Höhe und Dauer des Mündigenunterhalts von einer Vielfalt einzelner Faktoren abhängig ist. Die Berechnungen erweisen sich nicht selten als schwierig, weshalb es sich im Streitfall empfiehlt, juristischen Rat beizuziehen.

Fussnoten

  1. BGE 129 III 375 E. 3.3 S. 377 f

  2. BGE 115 II 123 E. 4b S. 126 f

  3. BGer 5C.205/2004 vom 8. November 2004

  4. BGer 5C.249/2006 vom 8. Dezember 2006

  5. Hausheer/Verde, in: Jusletter vom 15. Februar 2010, Rz. 17 f

  6. z.B. http://subnew.unibe.ch/budgetvorschlag-fur-studierende, besucht am 1. April 2013

  7. BGE 111 II 413 E. 5b S. 419

  8. BGE 118 II 97 E. 4b S. 99 f

  9. Zuletzt in BGer 5A_503/2012 vom Dezember 2012, E. 3

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