Privatrecht
Mit einer Gesetzesrevision haben die eidgenössischen Räte die Verjährung revidiert, womit für bestimmte Ansprüche längere oder kürzere Verjährungsfristen gelten als bisher und weitere Neuerungen eingeführt werden. Die neuen Regeln gelten ab 1. Januar 2020. Die neuen Verjährungsfristen sind z.B. bei der Archivierung von Akten und der Sicherung von Beweismitteln zu beachten, um Rechtsansprüche verfolgen und Prozesse vorbereiten zu können. Die neuen Fristen sind auch bei der Bestimmung der Dauer von Rückstellungen für mögliche Haftpflichtansprüche zu berücksichtigen, was bei Firmen und Versicherungen wesentlich sein wird.
Die bisherige, einjährige (relative) Verjährungsfrist wird auf drei Jahre verlängert. Die Frist beginnt wie bisher ab Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen.
Bei Sach- und reinen Vermögensschäden gilt weiterhin eine absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren ab dem Tag, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder – bei andauerndem schädigendem Verhalten – endete. Bei Personenschäden gilt neu eine absolute Verjährungsfrist von 20 Jahren.
Wenn der zivilrechtliche Anspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet wird, verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung wie bisher frühestens mit dem Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Das neue Recht bestimmt aber ergänzend, dass nach einem erstinstanzlichen Strafurteil der zivilrechtliche Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit der Eröffnung des Urteils verjährt.
Mit dem revidierten Recht werden für Personenschäden neue Verjährungsfristen sowohl für vertragliche als auch für ausservertragliche Ansprüche auf Schadenersatz oder Genugtuung eingeführt.
Die relative Verjährungsfrist beträgt hier neu drei Jahre und beginnt ab Kenntnis des Schadens und der ersatzpflichtigen Person (kumulativ) zu laufen. Bei den vertraglichen Ansprüchen stellt die neue dreijährige (relative) Verjährungsfrist eine Verkürzung der Verjährung dar, wenn dem Geschädigten der Schaden früh bekannt wird. Zu beachten ist, dass die speziellen Verjährungsregelungen im Besonderen Teil des Obligationenrechts (OR) dieser neuen Bestimmung im Allgemeinen Teil des OR vorgehen, sodass die bisherigen Verjährungsfristen weitergelten (z.B. bei Personenschäden als Folge eines Werkmangels, wobei bei Personenschäden stets absolute Rechte verletzt sind, womit die Widerrechtlichkeit nach OR 41 erstellt und ein Vorgehen über Delikt mit den längeren Verjährungsfristen des Strafrechtes offensteht).
Die absolute Verjährungsfrist bei Personenschäden wird indessen auf 20 Jahre verlängert. Die Frist beginnt hier am Tag, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.
Die relative Verjährungsfrist beträgt auch hier neu drei Jahre (statt wie bisher ein Jahr). Sie beginnt, wenn der Entreicherte (das Gesetz spricht vom «Verletzten») von seinem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung effektiv Kenntnis erhalten hat. Die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren ab Entstehung des Anspruchs gilt wie bisher.
Die Revision sieht vor, dass bei einer Solidarschuldnerschaft der Regressanspruch mit Ablauf von drei Jahren verjährt. Die Frist läuft ab dem Tag, an welchem der regressierende Schuldner den Gläubiger befriedigt hat und er den Mitschuldner kennt.
Das neue Recht regelt nun auch den Verzicht auf die Verjährungseinrede. Auf die Erhebung der Einrede kann gemäss gesetzlicher Regelung frühestens ab Beginn der Verjährungsfrist verzichtet werden. Ein gültiger Verzicht setzt somit genaue Kenntnis über den Beginn der Verjährung voraus.
Der Schuldner kann jeweils höchstens für maximal zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten. Die Erklärung über einen Verjährungseinredeverzicht hat schriftlich zu erfolgen und muss die Unterschrift des Schuldners enthalten. Bei juristischen Personen ist der Verjährungseinredeverzicht von zeichnungsberechtigten Personen zu unterschreiben. Ob hier faktische Organe oder Personen, die nicht im Handelsregister als zeichnungsberechtigt eingetragen sind, ausreichen, wird die Praxis zu beantworten haben.
Ein Verjährungseinredeverzicht ist demgegenüber auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) möglich, jedoch kann nur der Verwender der AGB auf diese Weise gültig auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten und nicht der Konsument bzw. der Empfänger der AGB.
Trotz der Ausstellung eines Verjährungseinredeverzichts läuft die Verjährung wie bisher weiter und kann in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen unterbrochen werden oder zum Stillstand kommen.
Neu steht die Verjährung nicht nur dann still, wenn der Gläubiger die Forderung vor einem Schweizer Gericht nicht geltend machen kann, sondern auch dann, wenn dies im Ausland der Fall ist, soweit objektive Gründe vorliegen.
Das neue Recht sieht zudem einen Fristenstillstand bei Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung (z.B. bei Vergleichsgesprächen oder einer Mediation) vor, wenn die Parteien schriftlich vereinbaren, dass die Verjährung für die Dauer des Verfahrens zur Streitbeilegung stillstehen soll. Dies ist zukünftig in Mediationsvereinbarungen zu beachten.
Das neue Recht stellt nun eindeutig klar, dass unter Solidarschuldnern oder Mitschuldnern einer unteilbaren Leistung eine Unterbrechung der Verjährung auf einer Handlung des Gläubigers (Klageeinreichung, Betreibung) beruhen muss, damit sie auch gegenüber dem anderen Schuldner wirkt. Der Solidarhaftende kann somit durch eigene Handlungen die Verjährung gegen den anderen Solidarhaftenden nicht unterbrechen oder einen gültigen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären. Das ist vom Gläubiger zu beachten. Dasselbe gilt bei der Bürgschaft.
Die Verjährungsfrist im Produkthaftungsrecht bleibt unverändert bei der relativen Frist von drei Jahren und die Verwirkungsfrist bei zehn Jahren, welche weder unterbrochen noch erstreckt werden kann.
Das neue Recht lässt den Beginn einer laufenden Verjährungsfrist grundsätzlich unberührt. Hat die Verjährung vor dem 1. Januar 2020 zu laufen begonnen und ist sie nach bisherigem Recht im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesrevision noch nicht eingetreten, ist zu prüfen, ob das neue Recht eine längere Verjährungsfrist vorsieht. Dann gilt die längere Frist. Sieht das neue Recht eine kürzere Frist als bisher vor, so gilt das bisherige Recht und die längere, alte Frist. Generell gelten die neuen Fristen ansonsten sofort nach dem 1. Januar 2020.
Bei Personenschäden im Arbeitsrecht gilt beispielsweise, dass nach bisherigem Recht die Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung aus vertragswidriger Körperverletzung im Arbeitsverhältnis nach Ablauf von zehn Jahren verjähren, wobei die Verjährung mit der Verletzung der vertraglichen Pflicht zu laufen beginnt. Nach (neu) Art. 128a OR verjähren Forderungen auf Schadenersatz aus vertragswidriger Körperverletzung mit Ablauf von drei Jahren ab Kenntnis des Schadens, spätestens aber mit Ablauf von 20 Jahren ab dem schädigenden Verhalten. Wenn sich der Unfall, welcher auf eine Vertragsverletzung im Arbeitsverhältnis zurückzuführen ist, vor dem 1. Januar 2020 ereignet und die geschädigte Person innerhalb von weniger als sieben Jahren Kenntnis des eingetretenen Schadens erhält, ist das bisherige Recht für sie günstiger. Erlangt die geschädigte Person die Schadenskenntnis aber erst später, wie bei Spätfolgen infolge asbestbelasteter Arbeitsplätze, sieht das neue Recht längere Verjährungsfristen vor. Die Verjährung ist also in jedem Einzelfall – in der Regel durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt – genau zu prüfen. Das Übergangsrecht ist für Fälle, welche in diesem Jahr ihren (beweisbaren) Ursprung haben, beachtlich.
Das Verjährungsrecht wurde nicht revolutionär umgekrempelt, aber doch wesentlich renoviert. Die frühere, sehr kurze, einjährige, relative Verjährungsfrist wurde auf drei Jahre erweitert. Dazu kommen neue Regeln im Zusammenhang mit der Verzichtserklärung auf die Einrede der Verjährung. Diese Vorschriften sind nun beachtlich und müssen zuerst noch allgemein bekannt werden.