Dashcam als Beweismittel - die Klärung
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Strafrecht

Dashcam als Beweismittel - die Klärung

In den Artikeln vom März 2017 und Juni 2018 wurde die Verwertbarkeit von Dashcam[1]-Aufzeichnungen in Gerichtsprozessen behandelt. Die Frage wurde höchstrichterlich bislang nicht behandelt. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichts bringt nun die langersehnte Klärung.

Dashcam-Aufnahmen sind rechtswidrig

Das Bundesgericht stellt klar, dass Dashcam-Aufnahmen grundsätzlich rechtswidrig sind. Das Erstellen von Aufnahmen im öffentlichen Raum, auf welchen Personen und/oder Kennzeichen erkennbar sind, stellt ein Bearbeiten von Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a und e des Datenschutzgesetzes (DSG) dar.

Eine solche Beschaffung von Personendaten würde das Recht lediglich tolerieren, wenn die Beschaffung sowie der Zweck ihrer Bearbeitung für betroffene Personen erkennbar ist (Art. 4 Abs. 4 DSG). Das Erstellen von Videoaufnahmen aus einem Fahrzeug heraus ist für andere Verkehrsteilnehmer kaum erkennbar und erfolgt damit heimlich im Sinne von Art. 4 Abs. 4 DSG. Mangels Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes stellen Dashcam-Aufnahmen daher eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 12 DSG dar und sind widerrechtlich (BGer 6B_1188/2018 vom 26. September 2019, E. 3).

Verwertbarkeit in einem Strafprozess

Wie bereits in den früheren Artikeln im Clubmagazin dargelegt wurde, ist die strafprozessuale Verwertung eines widerrechtlich erhobenen Beweismittels von der Schwere der Straftaten abhängig. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der gleiche Massstab anzusetzen ist, unabhängig davon, ob das Beweismittel von Privaten oder von Strafverfolgungsbehörden erhoben wurde. Gestützt auf Art. 141 Abs. 2 StPO sind Beweise, die in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben wurden, unverwertbar, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich.

Bei Strassenverkehrsdelikten handelt es sich in der Regel um Übertretungen oder Vergehen, selbst wenn eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln vorliegt. Solche Delikte werden nicht als schwere Straftaten im Sinne des vorzitierten Art. 141 Abs. 2 StPO qualifiziert. Damit stellt das Bundesgericht klar, dass Dashcam-Aufnahmen zur strafrechtlichen Verfolgung von Verkehrsregelverletzungen grundsätzlich nicht verwertet werden können.

Was bedeutet das?

Damit stellt das Bundesgericht klar, dass private Dashcam-Aufnahmen von den Strafverfolgungsbehörden bei Strassenverkehrsdelikten grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen.

Vorbehalten bleibt die Verwertung, wenn die Privataufnahme zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich ist (Art. 141 Abs. 2 StPO). Eine Definition, welche Straftat als schwer zu qualifizieren ist, findet sich im Gesetz nicht. Blosse Verkehrsregelverletzungen werden diese Hürde kaum je erreichen. Als schwer könnten unter Umständen aber vorsätzliche Verletzungen elementarer Verkehrsregeln mit hohem Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern (Art. 90 Abs. 3 SVG) oder Verletzungen gegen den "Rasertatbestand" (Art. 90 Abs. 4 SVG) qualifiziert werden. Als schwer gelten zudem Verkehrsregelverletzungen, welche gleichzeitig auch andere Straftatbestände wie vorsätzliche Tötung oder schwere Körperverletzung erfüllen.

Von dieser Rechtsprechung nicht betroffen sind Videoaufnahmen, welche von der Polizei erstellt werden. Das Bundesgericht hielt in einem anderen Entscheid fest, dass die Polizei zur Kontrolle des Verkehrs auf öffentlichen Strassen technische Hilfsmittel (insbesondere auch Videoaufnahmen) verwenden darf (BGer 6B_1143/2015 vom 6. Juni 2016, E. 1).

Nicht geklärt ist die Frage, ob ein mittels privater Dashcam aufgenommener Entlastungsbeweis von den Strafbefolgungsbehörden berücksichtigt werden muss oder nicht. Die Unverwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise hat nämlich zur Folge, dass Aufzeichnungen aus den Strafakten entfernt und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss gehalten und danach vernichtet werden müssen (Art. 141 Abs. 5 StPO). Das Obergericht des Kantons Bern kam im Entscheid vom 18. Juni 2012 (BK 2012 62) immerhin zum Schluss, dass entlastende Beweise, welche rechtwidrig erhoben wurden, stets berücksichtigt werden müssen, was als richtig erscheint.

Fazit

Zusammenfassend führt die neue Rechtsprechung dazu, dass Privataufnahmen zulasten von beschuldigten Verkehrsteilnehmern grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen. Zum Eigenschutz und zur Verteidigung ungerechtfertigter Vorwürfe im Strassenverkehr können sich aber Dashcam-Aufnahmen sehr wahrscheinlich nach wie vor auszahlen. Dieses Resultat scheint angemessen.

Dieser Artikel wurde erstmals im Clubmagazin des ACS Sektion Bern Ausgabe 08/2019 veröffentlicht.

Fussnoten

  1. "Als "Dashcam" wird eine Videokamera bezeichnet, die meist auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs angebracht ist und während der Fahrt fortwährend aufzeichnet" (Wikipedia, "Dashcam", besucht am 14. Oktober 2019).

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