Crowdfunding – das Verhältnis unter den Miteigentü...
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Privatrecht

Crowdfunding – das Verhältnis unter den Miteigentümern

Immobilienfinanzierung mittels Crowdfunding: Dies bedeutet, dass bis zu 50 Investoren einen Miteigentumsanteil an einer Immobilie erwerben und jeder einzelne als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen wird. Bei so vielen Miteigentümern ist eine genaue Prüfung der Vertragsdokumente, insbesondere eine Prüfung der Nutzungs- und Verwaltungsordnung, besonders wichtig.

Miteigentümergemeinschaft

Wer mittels Crowdfunding in eine Immobilie investiert, erwirbt rechtlich gesehen ein Individualrecht an einem Bruchteil eines Grundstücks. Das heisst: Jeder einzelne Investor wird als Miteigentümer mit einer bestimmten Quote (z.B. 1⁄50) am gesamten Grundstück im Grundbuch eingetragen. Alle Miteigentümer zusammen bilden eine Miteigentümergemeinschaft.

Das Verhältnis unter den einzelnen Miteigentümern regelt das Gesetz in den Artikeln 646 bis 651a ZGB. Mit Zustimmung aller Miteigentümer kann jedoch eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Nutzungs- und Verwaltungsordnung abgeschlossen werden (vgl. Art. 647 Abs. 1 ZGB). Bei einer Investition mittels Crowdfunding ist dies praktisch immer der Fall.

Nachfolgend wird kurz auf die wichtigsten Punkte der Nutzungs- und Verwaltungsordnung eingegangen und aufgezeigt, worauf bei der Immobilienfinanzierung mittels Crowdfunding besonders geachtet werden muss.

Nutzungs- und Verwaltungsordnung - Verwaltungshandlungen und bauliche Massnahmen

Zur Vornahme von gewöhnlichen Verwaltungshandlungen (kleinere Reparaturen, Bezahlung von Rechnungen, etc.) ist gemäss Art. 647a Abs. 1 ZGB jeder Miteigentümer befugt. Wichtigere Verwaltungshandlungen, wie z. B. der Abschluss und die Auflösung von Mietverträgen, können gemäss Art. 647b Abs. 2 ZGB nur mit der Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt, vorgenommen werden.[1]

In der Nutzungs- und Verwaltungsordnung der Miteigentümer können diese Quoren jedoch abgeändert werden. Dem einzelnen Miteigentümer kann beispielsweise verboten werden, gewöhnliche Verwaltungshandlungen zu ergreifen, auch wenn diese notwendig sind.[2] Diese, wie auch wichtigere Verwaltungshandlungen i.S.v. Art. 647b Abs. 1 ZGB, können in der Nutzungs- und Verwaltungsordnung allesamt zur Erledigung an einen Verwalter übertragen werden.

Auch bei Entscheidungen im Hinblick auf notwendige bauliche Massnahmen wie beispielsweise Unterhalts- oder Erneuerungsarbeiten kann die Mitwirkung der Miteigentümer auf ein Minimum reduziert und die Geschäftsführung, einschliesslich der Entscheidungskompetenz, weitgehend an einen Verwalter delegiert werden.[3]

Die meisten Crowdfunding-Anbieter übernehmen – natürlich gegen eine Entschädigung – die gesamte Verwaltung und Bewirtschaftung des Anlageobjektes gleich selber. Je nach Ausgestaltung der Nutzungs- und Verwaltungsordnung kann der Investor seine Anregungen dabei mehr oder weniger einbringen. Im Extremfall können dem einzelnen Investor sehr weitgehend Mitwirkungsrechte entzogen oder auf ein Minimum beschränkt werden. Dies kann ohne Weiteres im Sinne des Investors sein. Will ein Anleger bei wichtigeren Entscheidungen aber mitwirken, sollte er unbedingt einen Crowdfunding-Anbieter wählen, welcher diese Rechte umfassend gewährt.

Kosten für die Verwaltung

Bei der Immobilienfinanzierung mittels Crowdfunding ist es üblich, dass auf eine feste Dauer (z. B. auf acht Jahre) eine Miteigentümervertretung bestellt wird, welche wiederum eine Verwaltung wählt. Als Miteigentümervertretung bzw. als Verwaltung wird dabei in der Nutzungs- und Verwaltungsordnung meistens der Crowdfunding-Anbieter selber bestimmt. Als Gegenleistung für die Verwaltung der Liegenschaft wird dem Investor ein gewisser Prozentsatz der Netto-Mieteinnahmen abgezogen. Diese Verwaltungskosten fallen zusätzlich zu den übrigen Aufwendungen wie Unterhaltsarbeiten, Reparaturen, Versicherungsprämien, Steuern und Hypothekarzinsen an und müssen bei einer Investition unbedingt mit einkalkuliert werden. Es lohnen sich eine eingehende Prüfung dieser Kosten und der Vergleich mit anderen Crowdfunding-Anbietern. Da die Verwaltungskosten nicht selten von der Höhe der erzielten Mietzinseinnahmen abhängig gemacht werden, kann durch solche Kosten die Rendite unter Umständen erheblich verkleinert werden.

Verkauf

Zu beachten sind des Weiteren Regelungen betreffend die Haltedauer der Immobilie. In der Nutzungs- und Verwaltungsordnung kann vereinbart werden, dass die Liegenschaft nach einer gewissen Dauer (z. B. zehn Jahre) als Ganzes an einen Dritten oder an den Crowdfunding-Anbieter verkauft werden muss. Unter Umständen kann der Verkauf des einzelnen Miteigentumsanteils nach Ablauf dieser Haltedauer sogar gegen den Willen des Investors erzwungen werden, sofern die restlichen Miteigentümer diesem Entscheid mit einer gewissen Quote zustimmen.

Vor Ablauf dieser Haltedauer kann ein Investor über seinen Miteigentumsanteil grundsätzlich frei verfügen und diesen an einen Dritten zum Marktwert weiterverkaufen. Von Gesetzes wegen steht in diesem Fall jedem Miteigentümer das gesetzliche Vorkaufsrecht gegenüber jedem Nichtmiteigentümer zu (vgl. Art. 682 Abs. 1 ZGB). Das heisst: Will ein Miteigentümer seinen Miteigentumsanteil veräussern, hat jeder der übrigen Miteigentümer das Recht, den zu verkaufenden Anteil zum Marktpreis zu übernehmen. Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts ist das Verhindern des Eindringens eines missliebigen Dritten in das Gemeinschaftsverhältnis.[4] Häufig findet sich zudem die Regelung, wonach bei Nichtausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechtes dem Crowdfunding-Anbieter ein vertragliches Vorkaufsrecht am Miteigentumsanteil zusteht.

Maklerprovisionen und Gebühren

Nicht zu unterschätzen und genau einzukalkulieren sind die allenfalls anfallenden Maklerprovisionen und Bearbeitungsgebühren zugunsten des Crowdfunding-Anbieters. Solche können bei jedem Verkauf des Miteigentumsanteils an einen Dritten oder beim Verkauf der Liegenschaft als Ganzes nach der befristeten Haltedauer geschuldet sein und betragen meistens mehrere Prozente des beurkundeten Kaufpreises. Zudem können weitere versteckte Kosten, wie beispielsweise Gebühren für die Benutzung der hauseigenen Internetplattform zur Vermittlung der Miteigentumsanteile oder sonstige Bearbeitungsgebühren, bei einem Verkauf anfallen.

Fazit

Ein Kauf eines Miteigentumsanteils an einer Immobilie mittels Crowdfunding kann unter Umständen eine gute Investitionsmöglichkeit sein und es kann je nach Entwicklung des Immobilienmarktes eine hohe Rendite erzielt werden. Eine Investition will aber gut überlegt sein:

Auch wenn eine Reduzierung der Mitwirkungsrechte auf ein Minimum für den Investor auf den ersten Blick praktisch erscheint, muss ihm bewusst sein, dass dadurch wichtige Zukunftsentscheidungen und damit die eigentliche Anlagestrategie in fremde Hände gelegt werden. Zum Teil haben solche Entscheidungen erheblichen Einfluss auf die Liegenschaftsentwicklung und damit letztlich auch auf die Höhe der Rendite.

Nicht selten erfolgt der Abschluss sämtlicher Verträge, insbesondere der Abschluss des öffentlich beurkundeten Kaufvertrages, durch die Unterzeichnung einer einzigen Vollmacht. Damit entfällt eine individuelle rechtliche Beratung seitens des Notars, wobei anfallende Verwaltungskosten, Maklerprovisionen oder Einschränkungen der Mitwirkungsrechte schnell einmal übersehen werden. Bevor die Vertragsdokumente bzw. eine entsprechende Vollmacht definitiv unterschrieben werden, ist eine genaue Prüfung sämtlicher Dokumente, insbesondere die Prüfung der Bestimmungen der Nutzungs- und Verwaltungsordnung, unerlässlich. Bei Unsicherheit sollte dabei unbedingt professioneller Rat eingeholt werden.

Eine zu starke Einschränkung der Mitwirkungsrechte, hohe Kosten für eine professionelle Verwaltung und hohe Maklerprovisionen bei einem Weiterverkauf können eine auf den ersten Blick interessant erscheinende Rendite schnell einmal relativieren.

Fussnoten

  1. Sog. qualifizierte Mehrheit.

  2. Vgl. Brunner/Wichtermann in: Basler Kommentar zum Schweizerischen ZGB, N. 12 zu Art. 647b ZGB.

  3. Vgl. Brunner/Wichtermann in: Basler Kommentar zum Schweizerischen ZGB, N. 9 zu Art. 647d ZGB.

  4. Das gesetzliche Vorkaufsrecht kann vertraglich ausgeschlossen werden. Eine solche Vereinbarung bedarf zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.

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