Update zur Revision des Werkvertragsrechts
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Privatrecht

Update zur Revision des Werkvertragsrechts

Der Bundesrat eröffnete im Sommer 2020 die Vernehmlassung zu einer Revision des Werkvertragsrechts und schlug punktuelle Änderungen zwecks Verbesserung der Situation des Bauherren im Falle von Baumängeln und im Zusammenhang mit dem Bauhandwerkerpfandrecht vor (siehe unser Rechtsbrief vom Juni 2021). Während die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats Anfang Jahr zwar den Handlungsbedarf grundsätzlich bejahte, schlägt sie in ihren Anträgen vom 4. Juli 2023 entgegen dem Entwurf des Bundesrats einen Systemwechsel vor, um Personen, die eine Immobilie erstellen oder kaufen, noch besser vor Mängeln zu schützen. Dabei soll die Rügefrist für Baumängel gänzlich abgeschafft, die Verjährungsfrist verlängert und die Wegbedingung des Nachbesserungsrechts für unzulässig erklärt werden.

Rügefrist für Werkmängel

Bisher mussten Baumängel sofort, innert wenigen Tagen, gemeldet werden, ansonsten verfielen die Mängelrechte.[1] Der Entwurf des Bundesrates sieht demgegenüber für offene und versteckte Werkmängel sowie beim Grundstückkauf eine einheitliche Verlängerung der Rügefrist auf 60 Tage vor.[2]Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats hält diese vorgeschlagenen Verbesserungen der Stellung des Werkbestellers bzw. Käufers jedoch für unzureichend und schlägt deshalb vor, die Rügefrist vollständig abzuschaffen. Mängel sollen beim Grundstückskauf oder bei der Erstellung von unbeweglichen Werken innerhalb der Verjährungsfrist grundsätzlich jederzeit geltend gemacht werden können. Damit geht der Vorschlag weit über den Vorschlag des Bundesrats oder z.B. über die zweijährige Rügefrist der SIA-Norm 118 hinaus. Mit der Statuierung einer Schadenminderungspflicht für den Bauherrn oder Käufer einer Immobilie soll auch zukünftig ein Anreiz für eine zeitnahe Geltendmachung von Mängeln bestehen: Der Werkbesteller bzw. Käufer muss den Schaden, der bei einer sofortigen Anzeige des Mangels hätte vermieden werden können, nämlich selbst tragen.[3]

Verjährung von Werkmängeln

Der Bundesrat sieht in seinem Vorentwurf keine Anpassung der Verjährungsfristen vor. Es soll weiterhin eine Verjährungsfrist von fünf Jahren für Mängel an unbeweglichen Werken bzw. Grundstücken gelten.[4] Entgegen dem bundesrätlichen Vorentwurf, schlägt die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats vor, dass die Verjährungsfristen auf 10 Jahre verlängert werden.[5] Die neuen Regeln sollen dabei entsprechend dem bundesrätlichen Entwurf für offene und verdeckte Mängel gelten.[6] Überdies sollen die neuen Regeln aber auch für eingebaute Sachen gelten.[7] Eine Minderheit der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats unterstützt zwar die Vorschläge der Kommission, möchte die Bestimmungen aber nur auf verdeckte Mängel beschränken und die Verjährungsfrist bei 5 Jahren belassen.[8]

Unabdingbarkeit des Nachbesserungsrechts

Stand heute kann das Recht auf unentgeltliche Nachbesserung vertraglich umfassend oder teilweise wegbedungen werden.[9] Der Vorentwurf des Bundesrats sieht neu vor, dass dieses Recht bei Mängeln an Bauten, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Bauherrn bestimmt sind, unabdingbar ist.[10] Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats geht hierbei noch einen Schritt weiter und schlägt vor, dass das Nachbesserungsrecht generell, für sämtliche Verträge, nicht eingeschränkt wird.[11] Damit würden Bauherren und Käufer ohne Fachkenntnisse nicht nur beim Bau und Kauf von Bauten für den persönlichen oder familiären Gebrauch, sondern insb. auch für den gewerblichen Gebrauch, zusätzlich geschützt.

Fazit

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats möchte die Rechtsstellung von Bauherrn und Käufern noch deutlicher verbessern, als es dies der Vorentwurf des Bundesrates vorsieht. Der Nationalrat wird die Anträge der Kommission für Rechtsfragen voraussichtlich im Oktober beraten. Es wird sich zeigen, wie weit der Gesetzgeber beim Schutz des Bauherrn bzw. des Käufers vor Baumängeln gehen will. Folgt das Parlament den Anträgen der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats, könnten der Bauherr und der Käufer einer Immobilie in Zukunft Mängel anstatt lediglich innert wenigen Tagen, über einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren unbeschränkt rügen, was doch eine ziemlich bahnbrechende Verbesserung der Rechtslage darstellt.

Fussnoten

  1. Art. 370 Abs. 3 OR; Gauch, Der Werkvertrag, 6. Auflage, Rz. 2141; BGer 4A_53/2012 vom 31. Juli 2012 E. 6.2.

  2. Art. 219a Abs. 1 und Art. 370 Abs. 3 VE OR 2022.

  3. Vgl. Art. 219a Abs. 1 und Art. 370 Abs. 4 VE RK-N 2023.

  4. Vgl. Art. 219a Abs. 3 VE OR 2022 und Art. 371 OR.

  5. Vgl. Art. 219a Abs. 3 und Art. 371 VE RK-N 2023.

  6. Vgl. 219a Abs. 1 und Art. 370 Abs. 3 VE OR 2022 bzw. vgl. 219a Abs. 1 und Art. 370 Abs. 4 VE-RK-N 2023.

  7. Art. 201 Abs. 4 und 370 Abs. 4 VE OR 2022.

  8. Vgl. Art. 201 Abs. 4, Art. 219a Abs. 1 und 3 sowie Art. 370 Abs. 4 VE RK-Minderheit 2023.

  9. Gauch, a.a.O., Rz. 2540 f., 2548.

  10. Art. 368 Abs. 2bis VE OR 2022.

  11. Art. 368 Abs. 2bis VE RK-N 2023.

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