Züchtigungsrecht?
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Strafrecht

Züchtigungsrecht?

In der Schweiz sind Körperstrafen als elterliche Erziehungsmassnahme leider nach wie vor an der Tagesordnung. Was sagt die geltende schweizerische Rechtsordnung dazu?

Züchtigung im Strafrecht

Handlungen der Eltern, die körperliche Schäden verursachen, welche eine Behandlung und Heilungszeit erfordern, sind als einfache Körperverletzung strafbar und werden von Amtes wegen verfolgt (Art. 123 Abs. 2 StGB).

Eine Ohrfeige erfüllt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung lediglich den Tatbestand einer Tätlichkeit.[1]

Bei Tätlichkeiten sieht das Gesetz vor, dass nur von Amtes wegen eingeschritten wird, wenn die Tätlichkeit wiederholt [2] begangen wird (Art. 126 Abs. 2 lit. a StGB). Eine einzelne Tätlichkeit wird nur auf Antrag des Kindes strafrechtlich verfolgt (Art. 126 Abs. 1 StGB).

Nach Art. 14 StGB verhält sich rechtmässig, wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt. Ist das Züchtigungsrecht der Eltern zivilrechtlich erlaubt, wäre ihr Handeln gerechtfertigt. Die Rechtfertigung ist in jedem Fall aber ausgeschlossen bei wiederholten Tätlichkeiten im Sinn von Art. 126 Abs. 2 lit. a StGB.[3]

Züchtigung im Zivilrecht

Im Jahr 1978 wurde das elterliche Züchtigungsrecht aus dem schweizerischen Zivilgesetzbuch gestrichen.[4] Die eidgenössischen Räte stimmten jedoch nur unter der Bedingung zu, dass das Züchtigungsrecht als Bestandteil der elterlichen Sorge weiter anerkannt bleibt.[5]

Die elterliche Erziehung ist in Art. 301 ZGB geregelt:

«Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung (. . . ). Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam (.. . ).»

Während die strafrechtliche Lehre ein mildes Recht auf elterliche Züchtigung nach wie vor zu bejahen scheint, wird ein solches von der familienrechtlichen Lehre tendenziell abgelehnt.[6]

Ob im Rahmen einer geltungszeitlichen Auslegung der zivilrechtlichen Normen und mit Blick auf eine moderne und dem Kindeswohl entsprechende Erziehung Raum für ein Züchtigungsrecht der Eltern bleibt, wird zunehmend in Frage gestellt. Aufgrund der unbestimmten Rechtsnormen besteht sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Wo finden gewaltbetroffene Kinder und Jugendliche Hilfe?

Pro Juventute Beratung
Telefonhilfe für Kinder und Jugendliche
Telefon 147

Checkpoint
Kinder-, Jugend- und Familienservice Stadt Bern
checkpoint@bern.ch
Telefon 031 312 60 42

Ambulante Jugendhilfe der Stadt Bern
ambulantejugendhilfe@bern.ch
Telefon 031 321 67 50

Fussnoten

  1. BGE 117 V 14 E. 2 ff., S. 16 ff.

  2. Drei leichte Tätlichkeiten im Zeitraum von zwei Jahren gelten nach Auffassung des Obergerichts Bern noch nicht als wiederholte Begehung im Sinne dieses Artikels; vgl. Urteil vom 12. Dezember 2011, in: forumpoenale 5/2013, S. 266 ff.

  3. BGE 129 IV 216 E. 2.5 S. 222

  4. Art. 278 aZGB

  5. BBl 1974 II S. 1 ff., S. 77

  6. Fassbind, Züchtigungsrecht contra Gewaltverbot bei der Ausübung der elterlichen Personensorge, in: AJP 2007 S. 547 ff., S. 548 f., mit literarischen Hinweisen

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